
Ein Gespräch mit Katja Fritzsche, Leiterin Vertrieb, und Marc Reemers. Geschäftsführer von Reemers Publishing, über ihren Full-Service für Verlage, strukturierte Inhalte und die Rolle von KI für die Bildbeschreibung.
Janine Aegerter: Katja und Marc, könnt ihr kurz beschreiben, wer eure typischen Kunden bei Reemers Publishing sind und welche Dienstleistungen ihr anbietet?
Marc Reemers: Begonnen haben wir Anfang der 90er-Jahre. Angefangen haben wir damals mit klassischen Vorstufenleistungen für Computerbuchverlage. Das war zu der Zeit ein aufstrebender Bereich bei den Verlagen. Neben der Contentverarbeitung für Print- und digitale Medien bieten wir das nach wie vor an. Heute bedienen wir hauptsächlich Fachwissenschafts- und Bildungsverlage, der ein oder andere Publikumsverlag ist aber auch dabei.
Katja Fritzsche: Wir verstehen uns als sogenannten Full-Service-Dienstleister. Dazu gehört die unterstützende Manuskriptarbeit zu Beginn des Medienerstellungsprozesses. Weiter strukturieren und konvertieren wir Daten in jegliche Datenformate, auch den strukturierten Satz. Dies tun wir auf Basis von technisch hoch anspruchsvollen Templates, die wir für und mit unseren Kunden erstellen. Zum Schluss werden die Inhalte in die unterschiedlichen Medienformate ausgegeben.
Marc Reemers: Wir hatten von Anfang an einen gewissen Fokus auf strukturierte Datenverarbeitung, unter anderem auch im Zusammenhang mit dem XML-Format, das bei uns und vielen Verlagen eine wichtige Rolle spielt. Und dann war der nächste Schritt zu Software-Lösungen nicht mehr weit.
Janine Aegerter: Auf diese Software-Lösungen kommen wir gleich zu sprechen … vielleicht noch für Menschen, die nicht aus der Verlags- oder Publishing-Branche sind: Könnt ihr noch etwas zum Thema «Strukturierter Satz und Templates» sagen?
Katja Fritzsche: Der strukturierte Satz befasst sich damit, dass wir gleich zu Beginn, während der Erstellung und Bearbeitung der Manuskripte versuchen, Inhalte in sogenannte Container zu fassen, beziehungsweise diese auszuzeichnen. Also beispielsweise einer Überschrift die Eigenschaft Überschrift mitzugeben, schon in der Word-, sprich der Manuskriptdatei. Diese Datei wollen wir dann möglichst automatisiert interpretieren, in einem entsprechenden Satztemplate. Natürlich nicht nur für Überschriften, sondern auch für normale Absätze oder besondere Container-Formate wie z.B. Hinweiskästen.

Janine Aegerter (Projektleiterin und Leiterin Digitale Medien Careum Verlag) im Interview mit Reemers Publishing. Bild: Careum Verlag
Janine Aegerter: Marc, du hast vorhin die Softwarelösungen angesprochen, die ihr anbietet. Dazu gehört unter anderem ein Content-Management-System namens RRP 365. Wir setzen dieses System seit etwa 2 Jahren bei uns ein. Könnt ihr etwas dazu sagen?
Marc Reemers: Der Schwerpunkt von RRP 365 liegt auf den Prozessen, die nach der Manuskriptabgabe von Autoren oder Redakteuren anstehen. Dazu gehört die inhaltliche Aufbereitung im Rahmen der herstellerischen Verarbeitung. RRP 365 ist eine Plattform, die vom Gedanken der Kollaboration getragen ist. Alle arbeiten zusammen an einem Ort, die Abstimmungsprozesse sind schlank und effizient und darüber hinaus können wir strukturierte Daten über maschinelle Prozesse sehr hoch automatisiert verarbeiten. Was das Ganze dann eben schlanker, schneller und kostengünstiger macht.
Katja Fritzsche: Die Arbeit in RRP 365 ist für uns und natürlich für unsere Kunden sehr wichtig. Auch, dass das Handling möglichst einfach und selbsterklärend ist und wir das System stetig mit unseren Kunden in seinen Funktionalitäten ausbauen können.
Letztlich kann jeder ein Bild in einen KI-Chat laden und sich einen Beschreibungstext generieren lassen. Aber im Rahmen eines Vorstufenprozesses für umfangreiche Print- und Digitalpublikationen wäre das nicht sonderlich effizient.
Janine Aegerter: Im Rahmen unserer Arbeit mit RRP 365 habt ihr uns darauf aufmerksam gemacht, dass es mit der Zusatzfunktion namens «AltTextGen» die Möglichkeit gibt, Alternativtexte für Bilder mit KI zu generieren. Das heisst, wenn jemand z.B. aufgrund einer Sehschwäche ein Bild nicht sehen kann, dann kann er diesen Alternativtext, der hinter dem Bild hinterlegt wird, auslesen lassen, um sich das Bild beschreiben zu lassen.
Marc Reemers: Die Idee hinter AltTextGen ist getrieben vom neuen Barrierefreiheitsstärkungsgesetz, das es in der EU seit Ende Juni notwendig macht, barrierefreie Dokumente auszuliefern, wenn man entsprechende digitale Publikationen anbietet. AltTextGen ist eine Lösung, die auf die Verlagsspezifika zugeschnitten ist. Das heisst, ich kann dort ein oder mehrere Bilder hochladen und mir dann automatisiert KI-basierte Alternativtexte generieren lassen, die ich dann im Rahmen des weiteren Publikationsprozesses verwerten kann. In einer PDF-Datei, beispielsweise, oder natürlich auch in einem EPUB.
Janine Aegerter: Habt ihr schon Reaktionen von Kunden erhalten?
Katja Fritzsche: Das Interesse ist recht gross. Ein nicht unwesentlicher Anteil unserer Kunden nutzt AltTextGen bereits im Rahmen der Erstellung der Alternativtexte, beziehungsweise der Beschreibungstexte. Die Kunden bestätigen uns neben der einfachen Handhabung des Tools auch die Qualität der generierten Beschreibungstexte. Und unsere Kunden mit sehr grossen Bildanteilen schätzen die Batchverarbeitung, um möglichst schnell zum Ziel zu gelangen.
Janine Aegerter: Und was mache ich als Anwender, wenn die Alternativtexte mal nicht stimmen?
Katja Fritzsche: Vereinzelte Kunden bearbeiten die Texte nach, beispielsweise durch zusätzliche Prompts und Anweisungen, um die Texte umzuformulieren oder länger zu formulieren oder beispielsweise in der Tonalität zu verändern.
Janine Aegerter: Was war eure Motivation, AltTextGen zu entwickeln?
Marc Reemers: Mit dem Aufkommen der KI haben wir uns natürlich gefragt, welche Rolle wir da spielen können. Und unsere Mission ist, wenn man das so sagen möchte, Verlage oder die Publishing-Industrie im Rahmen ihrer Prozesse effizient mit KI-Diensten zu unterstützen. Also KI herunterzubrechen auf ganz konkrete Anwendungsfälle im Publishing. Dafür ist AltTextGen ein gutes Beispiel. Letztlich kann ja jeder ein Bild in einen KI-Chat laden und sich einen Beschreibungstext generieren lassen. Aber im Rahmen eines Vorstufenprozesses für umfangreiche Print- und Digitalpublikationen wäre das nicht sonderlich effizient. Sondern dann braucht man einen Dienst, der in einen Redaktions- oder Herstellungs-Workflow eingebunden ist. Genau das leistet eben AltTextGen, insbesondere in Verbindung mit RRP 365.

Janine Aegerter (Projektleiterin und Leiterin Digitale Medien Careum Verlag) im Interview mit Reemers Publishing. Bild: Careum Verlag
Janine Aegerter: Was habt ihr sonst noch für Ziele für AltTextGen?
Marc Reemers: Wir möchten noch zielgerichtetere Funktionen bereitstellen. Das Prompting beispielsweise ist etwas, was nicht immer einfach ist. Es kostet Zeit, das gewünschte Ergebnis eines Beschreibungstextes zu erhalten. Dafür wollen wir zum Beispiel Presets definieren, auch kundenindividuelle, die dann abgerufen werden können. Denn: Wenn ich ein Diagramm mit Wirtschaftsdaten habe, dann brauche ich in einem Schulbuch für einen Zwölfjährigen einen anderen Beschreibungstext als in einem Buch für den BWL-Studenten, der schon über 20 Jahre alt ist. Solche zielgruppenbezogenen Presets kann man so vorgeben, sodass der User, die Userin das nur noch auswählen muss.
Janine Aegerter: Habt ihr das Gefühl, dass die Verlage in Deutschland für das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz bereit sind?
Marc Reemers: Wir erleben die Herangehensweise der Verlage als sehr unterschiedlich. Man kann vielleicht unterscheiden zwischen grossen Verlagen, die das Ganze strukturierter angehen und auch mehr investieren in entsprechende Prozesse. Die kleineren und mittelgrossen Verlagen lassen es ein Stück weit auf sich zukommen. Es ist eine sehr heterogene Landschaft, die wir im Moment erleben, weil auch noch niemand so richtig weiss, was einen erwartet. Es ist nicht zu vermuten, dass gleich sanktioniert wird, wenn etwas nicht passt. Aber ja, selbstverständlich beschäftigen sich jetzt alle damit. Wir müssen sehen, inwieweit sich das dann auf die Herstellungsprozesse jetzt in den nächsten Monaten noch auswirkt.

Janine Aegerter (Projektleiterin und Leiterin Digitale Medien Careum Verlag) im Interview mit Reemers Publishing. Bild: Careum Verlag
Janine Aegerter: Wie geht ihr als Unternehmen mit dieser Unsicherheit um?
Marc Reemers: Das ist eine gute Frage. Persönlich kann ich sagen, dass ich das Thema auch immer ein bisschen an die Seite geschoben habe. Man muss ehrlicherweise sagen, dass das eine Auflage ist. Die allermeisten Verlage werden damit nur Aufwand haben und keine zusätzlichen Erlöse generieren.
Janine Aegerter: Stimmt.
Marc Reemers: Insofern muss man versuchen, das Ganze effizient abzubilden, weil die Verlagsbranche in verschiedener Hinsicht schon unter Druck ist, was Digitalisierung angeht. Da ist so ein Gesetz eine zusätzliche Herausforderung. Und unsere Rolle als Dienstleister ist ja, die Verlage dabei bestmöglich zu unterstützen, was Prozesse angeht und was vielleicht auch Ideen angeht, die noch nicht so im Mainstream angekommen sind.
Janine Aegerter: Katja, willst du noch etwas ergänzen?
Katja Fritzsche: Vielleicht Folgendes: Wir spüren Dankbarkeit seitens unserer Verlagskunden dahingehend, dass wir uns mit dem Thema auseinandersetzen und versuchen, gemeinsam mit den Verlagen und auf Basis dessen, wo der Verlag selbst steht, sie auf diesen neuen Wegen und Anforderungen zu begleiten.
Janine Aegerter: Das ist ein schönes Schlusswort - ich danke euch für dieses Gespräch.
Katja Fritzsche: Gerne.
Marc Reemers: Vielen Dank für euer Interesse.
Dieser Interviewtext ist eine stark gekürzte Fassung des Gesprächs, das wir aufgezeichnet haben. Das ganze Gespräch finden Sie hier als Videodatei, inklusive eines Ausschnitts des Soundtracks “Bohemo Island” von Moavii, siehe https://freetouse.com/music/moavii/bohemo-island am Anfang und am Ende der Videodatei.
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