
Tanja Messerli, Geschäftsführerin des Schweizer Buchhandels- und Verlags-Verbandes SBVV, spricht im Interview über die Bedeutung des Urheberrechts und die neue Share-Fair-Kampagne des SBVV.
Janine Aegerter: Herzlich willkommen, Tanja. Du bist Geschäftsführerin des SBVV. Und der SBVV vertritt die Interessen der Buchbranche in der Schweiz. Kannst du uns sagen, wie es der Branche aktuell geht?
Tanja Messerli: Wir sind der Deutschschweizer Verband und die Buchbranche in der Deutschschweiz hat, glaube ich, ähnliche Herausforderungen wie die Buchbranche in der ganzen Welt. Wir sind insofern privilegiert, als wir viele Freiheiten haben, die wir in anderen Ländern beschnitten sehen. Wo wir sicher nicht besonders privilegiert sind, ist, dass die Politik sich nicht per se für uns interessiert. Das Buch ist kein Prestigeprojekt in der Schweiz, wie beispielsweise in Frankreich. Deshalb ist es in Krisensituationen schwieriger, als Buchbranche durchzudringen, als zum Beispiel für die Buchbranche im vergleichbar grossen Österreich.
Janine Aegerter: Was meinst du mit Freiheiten?
Tanja Messerli: Keine Zensur, grosse Diversität, auch im Bildungswesen. Was wir aktuell mit den book bans in den Schulen in den USA sehen, ist in westlichen Ländern doch sehr ungewohnt. Generell muss man aber überall ums Urheberrecht kämpfen, jeden Tag. Das ist eine wichtige Arbeit, die wir machen.

Janine Aegerter, Projektleiterin beim Careum Verlag, im Gespräch mit Tanja Messerli, Geschäftsführerin des SBVV. Bild: Careum Verlag
Janine Aegerter: Gibt es noch andere, grössere Herausforderungen der Buchbranche?
Tanja Messerli: Das ist für mich schwierig zu sagen, denn die Branche ist doch sehr divers. Ich würde sagen, dass der Vertrieb am meisten mit den Transportkosten und den fehlenden Chauffeuren kämpft. Ich könnte allein eine Stunde damit füllen, die Herausforderungen des Zwischenhandels aufzuzählen. Und ein Verlag, der sehr stark darauf angewiesen ist, dass Übersetzung gefördert wird, der ist jetzt knapp dran, weil das Sachbuch gar nicht mehr und alles andere weniger gefördert wird. Und bei den Buchhandlungen ist es der schwindende Absatz. In manchen Monaten haben wir teilweise dramatische Rückgänge. Das sind dann die Momente, in denen die Buchhandlungen sich ganz bewusst grössere, einschneidende Veränderungen überlegen müssen. Das ist hart.
Janine Aegerter: Ihr habt ja die Share-Fair-Kampagne initiiert. Auch wir, also der Careum Verlag, sind hier mit an Bord.
Tanja Messerli: Genau, und zum Glück!
Janine Aegerter: Und in dieser Kampagne geht es darum, was man im Schulalltag kopieren, speichern und teilen darf. Eine frühere Kampagne dieser Art nanntet ihr «Fair kopieren». Wie kam es zum Namenswechsel?
Tanja Messerli: Dem SBVV ist aufgefallen, dass «fair kopieren» nichts mehr ist, was Lehrpersonen unter 35 verstehen.
Janine Aegerter: Nicht?
Nein. Also vielleicht ein paar, aber das, was die meisten darunter verstehen und wofür sie die Wendung benutzen, ist nicht das, was wir damit meinen. Für sie ist «fair kopieren» nachhaltig kopieren, also auf umweltfreundlichem Papier kopieren, weniger Papier brauchen. Deswegen wechseln wir von «fair kopieren» auf «share fair», das ist besser verständlich.
Generell muss man ums Urheberrecht kämpfen, jeden Tag.
Janine Aegerter: Es gibt ja heutzutage viele KI-Tools, auch Lehrpersonen arbeiten mit diesen Tools. Verträgt sich das mit dieser Kampagne?
Tanja Messerli: Besser geht es gar nicht. Also, wenn Schulen und Verlage jetzt so viel mit diesen KI-Tools arbeiten, und weil Verlage Produkte herstellen mit KI, für KI und unter Berücksichtigung von KI, ist es genau der richtige Moment zu sagen: «Hey, das hat jemand gemacht, das gehört jemandem». Die Kampagne will daran erinnern, dass es einen Schutz von Eigentum gibt.
Janine Aegerter: Ihr habt ja schon früher zwei solche Share-fair-Kampagnen durchgeführt. Was haben diese bewirkt?
Tanja Messerli: Es ist für mich schwierig vorstellbar, wie es wäre, wenn man diese Kampagnen nicht lanciert hätte. Also, wenn sie in den deutschsprachigen Schulen und bei den deutschsprachigen Lehrpersonenverbänden nicht irgendwo vorgekommen wäre. Ich befürchte, dass wir zu weit im Hintertreffen wären. Das Urheberrecht wäre sonst einfach vergessen gegangen und dann hätten wir jetzt das Problem, dass wir gar keinen Anknüpfungspunkt mehr hätten, wenn die Lehrmittelverlage nicht vor 15 Jahren schon damit angefangen hätten.

Tanja Messerli, Geschäftsführerin des SBVV, erklärt die "Share-Fair-Kampagnenplanung". Bild: Careum Verlag
Janine Aegerter: Zur letzten Frage: Es gibt ja das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz, das Ende Juni in der EU in Kraft trat. Kannst du da noch etwas dazu sagen?
Tanja Messerli: Für die exportierenden Verlage ist das natürlich sehr relevant. Das sind teilweise auch Lehrmittelverlage. Aber das Barrierefreiheitsgesetz gehört zu den Gesetzen, bei denen die Schweiz eigentlich gut aufgestellt, beziehungsweise voraus ist mit den Regelungen. Das ist nicht etwas, was verhandelbar ist. Und da können nicht die Verlage sagen, das sei jetzt ein bisschen mühsam. Die müssen es einfach machen, und sie tun es auch.
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