Hilfe für Young Carers beim Berufseinstieg

Young Carers zwischen Ausbildung und Berufseinstieg

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Von der Schule ins Berufsleben: für junge Erwachsene ein grosser Schritt. Besonders für Young Carers. Wer kann sie mit ihren zusätzlichen Herausforderungen in dieser Phase unterstützen? Und wie? Ein Forschungsprojekt der Careum Hochschule Gesundheit zeigt Ideen auf.

Inhaltsverzeichnis

Young (Adult) Carers sind Kinder und junge Erwachsene bis 18 bzw. 25 Jahre, die eine oder mehrere Personen in ihrem nahen Umfeld betreuen. Das können Verwandte, Bekannte oder Freund:innen sein, die eine oder mehrere körperliche, psychische oder kognitive Beeinträchtigungen haben.

Young Carers unterstützen sie, indem sie zum Beispiel pflegerische Aufgaben übernehmen, im Haushalt helfen oder emotionale Unterstützung leisten. Diese zusätzlichen Aufgaben zuhause können einen Einfluss auf die persönliche Entwicklung und die schulischen Leistungen der Jugendlichen haben. Deshalb wird das Thema «Young Carers» in vielen Ländern erforscht, um ihnen Unterstützungsmöglichkeiten anbieten zu können.

Der Übergang von der Ausbildung ins Berufsleben

Eine passende Lehrstelle zu finden oder das richtige Studium zu wählen, ist für viele junge Erwachsene schwierig. Young Carers haben einen zusätzlichen Rucksack: Eine Studie des Forschungsteams der Careum Hochschule Gesundheit (siehe Infobox) hat gezeigt, dass sie teilweise grosse Schwierigkeiten haben, die Betreuung und Ausbildung unter einen Hut zu bringen.

Die Doppelbelastung ist mit einem Risiko für kurz- und längerfristige negative Folgen auf die schulische Leistung und den Bildungsweg verbunden. So etwa durch viele Absenzen und nicht genügend Zeit zum Lernen. Oder, schlicht, weil die Freizeit fehlt. Auch Erschöpfung und Konzentrationsprobleme können die Folge sein.

Ist eine Person in der Familie krank, ist es schwierig für die Eltern, ihren Kindern zum Beispiel bei der Lehrstellensuche zu helfen. Dies zeigt das folgende Zitat eines Young Carers: «Wir konnten halt auch keine Unterstützung erwarten von unseren Eltern, was Bewerbungen schreiben angeht, oder bei den Hausaufgaben. Das fand ich schwer.»

Somit stellt sich die Frage: Was kann Young Carers bei ihrem Übergang von der Schule hinein ins Berufsleben unterstützen? Im Folgenden werden, basierend auf den Projektergebnissen, zentrale Unterstützungsbereiche vorgestellt.

Unverständnis am Ausbildungsort

Viele Young Carers berichten, dass sie ihre Lehrpersonen oder Ausbildner:innen über ihre Situation zuhause informiert haben. Trotzdem stossen viele von ihnen leider nicht auf Verständnis und Unterstützung: «Das hat die Lehrkräfte eigentlich nie interessiert. Entweder haben sie es nicht gemerkt oder nicht gewusst oder nicht hingeschaut.»

Unsere Ergebnisse zeigen, dass Schüler:innen mehr Unterstützung in der Schule (z. B. durch Schulsozialarbeit, schulpsychologische Dienste) erhalten als später Berufslernende. Eine Young Carer vermutete, dass die Lernenden eher als Erwachsene angesehen werden. Dass sich Young Carers davon aber nicht entmutigen lassen sollten, zeigen andere Beispiele.

Informieren, kommunizieren und sensibilisieren

Trotz negativer Beispiele gilt in der Schule oder am Ausbildungsplatz: Eine bessere Kommunikation über die eigene Situation ist für alle Beteiligten hilfreich und besonders für die Young Carers eine Unterstützung: «Also meine Lehrer haben immer Bescheid gewusst. Und jetzt gehe ich in den sozialen Bereich und dort wird das halt sehr berücksichtigt. Dort fragen die Leute auch viel, wie es mir geht und ich habe auch jemanden, mit der ich darüber spreche.»

Es bleibt also wichtig, Fachpersonen in Schulen weiter für die Thematik «Young Carers» zu sensibilisieren. Nur Lehrpersonen oder Schulsozialarbeiter:innen, die wissen, wer Young Carers sind und welchen Herausforderungen sie gegenüberstehen, zeigen mehr Verständnis für Absenzen. Oder sie sind kulant bei Prüfungsdaten, Abgaben von Arbeiten oder der flexibleren Gestaltung der Arbeitszeiten.

Entlastung zuhause schont Ressourcen für die Ausbildung

Young Carers haben einen vollgepackten Tag: «Ich arbeite 70 Prozent, gehe 40 Prozent in die Schule. Und plötzlich bekomme ich auch noch den Haushalt aufgedrückt und eine jüngere Schwester. Verantwortung für sie musste ich schon viel übernehmen. Aber so im Haushalt, das hat mich recht überfordert. Ich habe es recht ‹schleifen lassen› in der Schule. Beim Arbeiten nicht so. Da muss ich halt gut sein, weil sonst schmeissen sie mich raus.»

In vielen Fällen wird deutlich, dass Unterstützung zuhause, z. B. mit Spitexhilfe, für Entlastung sorgt. Eine Hilfsperson kann pflegerische und haushälterische Aufgaben übernehmen, was Young Carers zeitlich und körperlich entlastet und somit ihrer Ausbildung zugutekommt: «Wir haben extrem viel Unterstützung, was sonst nicht gehen würde ohne. Wir haben morgens und abends Spitex, die kommt und ihr (Anmerkung: betreute Person) hilft, aufzustehen und ins Bett zu gehen. Und dann haben wir noch Haushaltshilfe, die ausser am Wochenende jeden Tag da ist und für uns kocht und wäscht und alles.»

Warum kommt die Hilfe oft nicht an?

Das Beispiel der Spitex scheint eine ideale Entlastungsmöglichkeit für Young Carers zu sein. Jedoch gibt es diverse Gründe, weshalb Young Carers vorhandene Angebote nicht immer nutzen können. Es kann nicht sein, dass Young Carers und ihre Familien die Angebote und Unterstützungsmöglichkeiten, die ihnen zustehen, nicht kennen. Auch kann die Einstellung zu einer externen Unterstützung ablehnend sein. Es können Scham und Vorurteile vorherrschen.

Finanzielle oder rechtliche Hindernisse können ebenfalls ausschlaggebend sein. Für die Familien einiger Young Carers sind Unterstützungsangebote wie die Spitex ohne staatliche Unterstützung zu teuer. Es kann auch sein, dass Angebote nicht vorhanden sind. So gibt es vielleicht in der Region keine Spitex, die die Sprache der betreuten Person spricht.

Auch ist es anspruchsvoll und zeitaufwendig, sich Unterstützung zu organisieren. Viele Young Carers empfinden solche administrativen Aufgaben als herausfordernd und frustrierend. Doch genau solche Unterstützungsangebote könnten Young Carers ermöglichen, ihre physischen und psychischen Kräfte zu schonen und sich auf ihre Ausbildung oder ihre Arbeit zu konzentrieren.

Was empfehlen Young Carers selbst?

Young Carers empfehlen anderen jungen Menschen, Dienste wie Palliativorganisationen hinzuziehen, die die ganze Familie unterstützen. Auch empfehlen sie, sich anderen gegenüber zu öffnen und Hilfe anzunehmen, auch wenn das Gegenüber nicht immer verständnisvoll und hilfsbereit reagiert.

Young Carers nennen auch positive Aspekte und Erfahrungen im Zusammenhang mit ihrer Unterstützungsrolle. Die Unterstützungsaufgaben seien etwas Schönes im Sinne einer bereichernden, lehrreichen und sinnstiftenden Aufgabe. Auch Fähigkeiten wie Selbstständigkeit, Empathie oder Haushaltsaufgaben können Young Carers in ihrer Rolle als betreuende Angehörige erwerben. Diese helfen ihnen sowohl privat als auch beruflich weiter. Somit empfehlen Young Carers anderen Young Carers, auch etwas Positives in ihrer Situation zu sehen und daran zu wachsen.

Wie können Young Carers Unterstützung finden?

Die Careum Hochschule Gesundheit hat eine interaktive Netzwerkkarte entwickelt, auf welcher Young Carers, ihre Angehörigen und Fachpersonen Unterstützungsangebote finden. Auch organisiert das Forschungsteam seit Jahren Get-Togethers für Young Carers und ehemalige Young Carers, wo sie Gleichgesinnte treffen und sich mit ihnen austauschen können.

Diskutieren Sie mit!

  • Wie können Lehrpersonen, Schulsozialarbeiter:innen und andere Fachkräfte im Bereich Bildung noch mehr auf das Thema Young Carers sensibilisiert werden?
  • Was können Young Carers tun, die bei ihren Lehrpersonen und Ausbildner:innen auf wenig Verständnis stossen?
  • Fallen Ihnen andere mögliche Unterstützungsmöglichkeiten ein, die im Beitrag nicht genannt wurden?

Kommentare

  • Miriam Horning

    27.07.2023

    Sehr geehrte Damen und Herren, ich arbeite als Pflegepädagogin in Deutschland an einer Pflegefachschule die generalistische Pflegefachmänner/Pflegefachfrauen ausbildet und ich würde mich freuen, wenn sich jemand melden würde, mit dem ich zu diesem Thema in den Austausch kommen könnte. Melden Sie sich gerne per Mail bei mir zurück, es wäre sehr bereichernd einen Termin mit Ihnen vereinbaren zu dürfen. Herzliche Grüße sendet Ihnen Miriam Horning

    • Milena Svec Goetschi

      08.08.2023

      Sehr geehrte Frau Horning,
      Besten Dank für Ihr Interesse zu diesem wichtigen Thema. Gerne leite ich Ihre Anfrage an unser YC-Forschungsteam weiter, damit es direkt mit Ihnen in Kontakt treten kann. Mit freundlichen Grüssen, Milena Svec Goetschi, Kommunikation Careum Hochschule Gesundheit