
Früher war es für viele Menschen selbstverständlich, zu Hause zu sterben, umgeben von ihrer Familie. Durch den gesellschaftlichen Wandel fand das Sterben jedoch zunehmend in Institutionen statt. Der folgende Beitrag vergleicht das Sterben zu Hause und in Einrichtungen und stellt aktuelle Entwicklungen dar.
Dank des medizinischen und pflegerischen Fortschritts ist es heute zunehmend möglich, schwerkranke Menschen auch in ihrem häuslichen Umfeld umfassend und professionell bis zum Lebensende zu begleiten. Mobile Palliativdienste, spezialisierte Fachkräfte und eine enge Zusammenarbeit mit Hausärzten ermöglichen eine Betreuung, die sich an den individuellen Bedürfnissen orientiert und ein würdevolles Sterben zu Hause unterstützt.
Ein würdiger Abschied: Zuhause oder in einer Institution?
Für viele Menschen ist der Wunsch, zu Hause zu sterben, tief verankert. Allerdings stellt sich die Frage, welche Faktoren neben den individuellen Wertevorstellungen Einfluss auf den Sterbeort haben und welche Vor- und Nachteile es hat, zu Hause oder in einer Einrichtung zu sterben. Die persönliche Entscheidung des Betroffenen steht im Mittelpunkt. Es gibt jedoch komplexe Einflussfaktoren, die berücksichtigt werden müssen, um den Wünschen von Patient:innen bestmöglich entsprechen zu können. Studien zeigen, dass bis zu 72 % der Schweizer Bevölkerung diesen Wunsch hegen (Höpflinger, 2020). Gemäss Statistik sterben jedoch die meisten Schweizer und Schweizerinnen im Alters- und Pflegeheim oder im Spital. Tatsächlich sterben nur etwa 20 % zu Hause. In Deutschland ist das Bild ähnlich. Diese Diskrepanz macht deutlich, wie sehr äussere Umstände und persönliche Ressourcen den Sterbeort beeinflussen.
Fortschritte in der häuslichen Palliativversorgung
Die Palliativmedizin hat in den letzten Jahren enorme Fortschritte gemacht. Mobile Palliativteams, Telemedizin und spezialisierte Pflegekräfte ermöglichen heute eine umfassende Betreuung zu Hause. Die Unterstützung umfasst sowohl die medizinische Versorgung als auch die psychosoziale Begleitung. Dadurch kann die Lebensqualität bis zum Lebensende verbessert werden.
Vor- und Nachteile der beiden Settings
Sterben zu Hause: | Sterben in einer Institution: | |
Vorteile |
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Nachteile |
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Die Wahl des Sterbeortes ist eng mit den individuellen Präferenzen, dem sozialen Umfeld und den verfügbaren Ressourcen verknüpft (Hoare et al., 2015). Wenn jemand im Sterben liegt, gibt es nicht «nichts mehr zu tun». Es gibt viel zu bedenken, um einen «guten Tod» zu ermöglichen (Harris, 2022). Die Studie «The facilitators and challenges of dying at home with dementia: A narrative synthesis» zeigt, dass folgende Faktoren eine Rolle spielen, um das Sterben zu Hause zu ermöglichen:
- Unterstützende Faktoren wie regelmässiger Kontakt mit Gesundheitsfachkräften und spezialisierter Palliativ-/Hospizversorgung.
- Belastbarkeit aller Beteiligten: Der starke Wille, die sterbende Person zu Hause zu pflegen sowie die Anpassungsfähigkeit der Pflegekräfte und der Angehörigen.
- Wirksames Medikamenten- und Symptommanagement: Das Erkennen der Symptome sowie die adäquate Versorgung mit medikamentöser und nichtmedikamentöser Therapie. Die Bereitschaft der Angehörigen, sich Wissen anzueignen bzw. sich durch das Pflegepersonal schulen zu lassen.
- Umgebung gestalten durch geeignete Hilfsmittel wie Pflegebetten, druckentlastende Materialien und Kontinenz-Hilfen
Das Erfassen der Faktoren macht deutlich, wie wichtig das private Umfeld für das Sterben zu Hause ist. Ein zentraler Aspekt ist dabei die Belastung der pflegenden Angehörigen.

Das private Umfeld daheim ist wichtig. Bild: Depositphotos.
Die ganzheitlichen Erfahrungen von pflegenden Angehörigen, die unheilbar kranke Menschen zu Hause betreuen, wurden in sechs Ländern mit insgesamt 196 Teilnehmern untersucht. Dabei wurden fünf Hauptthemen identifiziert.
1. Viele Betroffene empfanden die Diagnose als belastend, da es schwerfiel, die Unheilbarkeit anzunehmen – vor allem die Unsicherheit über den Zeitpunkt des Todes war herausfordernd.
2. Die körperliche und emotionale Auslastung der Angehörigen führte zur körperlichen Erschöpfung und emotionaler Belastung. Es wurde von fehlenden Ruhepausen und Schlafmangel berichtet.
3. Die Lebenssituation war in mehreren Aspekten eingeschränkt, erkennbar an der fehlenden Möglichkeit zu planen, reduzierten sozialen Aktivitäten und den daraus resultierenden finanziellen Folgen.
4. Die Beziehung zu kranken Familienmitgliedern veränderte sich grundlegend. Viele Partner:innen in einer Paarbeziehung übernahmen die Rolle von Pflegenden. Weil sie Gespräche über den Tod vermieden, entfernten sie sich emotional voneinander.
5. Die Bedeutung von Unterstützung zeigte sich vor allem in der informellen Hilfe durch Gesundheitsdienste sowie in der kontinuierlichen Betreuung. Entscheidend für die Aufrechterhaltung der Pflegequalität zwischen Pflegeempfängern und pflegenden Angehörigen war zudem, dass den eigenen Bedürfnissen der Angehörigen mehr Aufmerksamkeit geschenkt wurde.
Schlussfolgerung
Erfahrungen zeigen, dass die häusliche Betreuung eines unheilbar kranken Familienmitglieds das Leben der betreuenden Person in ganzheitlicher Weise beeinflusst.
Jede einzelne Pflegekraft sollte die Bedeutung dieser tiefgreifenden Erfahrung vollständig anerkennen. Darüber hinaus sollten sie sich umfangreich um die Bedürfnisse von pflegenden Angehörigen kümmern. Um pflegende Angehörige noch besser zu unterstützen, sind zusätzliche Forschungen und eine deutlich verbesserte Gesundheitspolitik notwendig.
Fazit: Individuelle Entscheidungen im Fokus
Ob zu Hause oder in einer Institution: Beide Optionen haben Vor- und Nachteile. Wichtig ist, die individuellen Bedürfnisse und Wünsche der Betroffenen in den Mittelpunkt zu stellen. Die Palliativmedizin bietet hierfür einen umfassenden Rahmen, der es ermöglicht, den Sterbeprozess würdevoll zu gestalten.
*Dieser Beitrag entstand im Kurs «Schreibkompetenz» während des Studiums zum Bachelor of Science FH in Nursing an der Careum Hochschule Gesundheit. Die Teilnehmenden wählten ein Thema, mit dem sie in der Regel in ihrem Berufsalltag in Berührung kommen. Die besten Beiträge wurden ausgewählt und für den Blog überarbeitet.
Quellen
Harris, D. (2022). Care in the last hours to days of life. Medicine, 50(12), 809–812. https://doi.org/10.1016/j.mpmed.2022.09.010
Herber, O. R., & Johnston, B. M. (2013). The role of healthcare support workers in providing palliative and end-of-life care in the community: A systematic literature review: Role ofhealthcare support workers. Health & Social Care in the Community, 21(3), 225–235. https://doi.org/10.1111/j.1365-2524.2012.01092.x
Höpflinger, F. (2020). Leben im Alter – aktuelle Feststellungen und zentrale Entwicklungen. Socius2, Age-Stiftung Zürich, S.55.
Hoare, S., Morris, Z. S., Kelly, M. P., Kuhn, I., & Barclay, S. (2015). Do Patients Want to Die at Home? A Systematic Review of the UK Literature, Focused on Missing Preferences for Place of Death. PLOS ONE, 10(11), e0142723. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0142723
Mogan, C., Lloyd-Williams, M., Harrison Dening, K., & Dowrick, C. (2018). The facilitators and challenges of dying at home with dementia: A narrative synthesis. Palliative Medicine, 32(6), 1042–1054. https://doi.org/10.1177/0269216318760442
Zusammenfassung der Ergebnisse zur Studie Palliaitive Care. Bundesamt für Gesundheit (BAG) und Bundesamt für Sozialversicherung (BSV). (2009)
Diskutieren Sie mit!
• Welche Erfahrungen haben Sie mit der Sterbebegleitung zu Hause oder in Institutionen gemacht?
• Wie können wir Angehörige besser unterstützen, die sich für eine Betreuung zuhause entscheiden?
• Welche Rolle sollte die Politik spielen, um Wahlfreiheit bgzl Sterbeort am Lebensende zu haben?
Kommentare
Karin Ribi
03.09.2025Liebe Gabriela
Vielen Dank für diesen Beitrag zu einem Thema, das in unserer Gesellschaft eher im Hintergrund ist. Während meiner Zeit im psychosozialen Team in der Onkologie am Kinderspital Zürich habe ich gesehen wie unterschiedlich die Bedürfnisse der Betroffenen und ihren Angehörigen sein können, wenn es geht die letzte Lebensphase zu gestalten. Daher ist es, wie im Beitrag schön auf den Punkt gebracht, zentral, die Bedürfnisse der Betroffenen in den Mittelpunkt zu stellen, so dass das vielfältige Angebot der heutigen Palliative Care dazu beitragen kann, ein würdevolles Lebensende zu ermöglichen.
Gabriela Meier
09.09.2025Liebe Karin
Vielen Dank für dein Feedback.
Ich finde es sehr spannend von deinen persönlichen Erfahrungen zu hören.
Liebe Grüsse
Gabriela