Rega Rettungsjet

Sonne, Erholung, Strand, Ruhe: Die langersehnten Ferien sind endlich da. Die ersten Tage im fremden Land sind entspannt – im Meer baden, Bücher lesen, in der Sonne faulenzen. Doch, was schön beginnt, kann im Albtraum enden.

Am vierten Tag im Urlaub kommt Langeweile auf. Zeit für einen Ausflug ins Landesinnere. Schnell im Taxi – dann passiert es: ein Autounfall. Schlimm. Aber noch schlimmer: in einem fremden Land, ohne Sprachkenntnisse. Dazu in einem fremden Gesundheitssystem. Auf einmal allein im Krankenwagen, dann allein im nächstgelegenen Spital. Mit Schmerzen, die kaum auszuhalten sind. Anstatt Ferien kommt nun die wochenlange Rehabilitation.

70'000 Schweizer:innen verunfallen jährlich im Ausland (SUVA, 2021). Angefangen bei kleinen Stolperstürzen bis hin zu schweren Polytraumas. Bei schweren Verletzungen ist ein Aufenthalt in einer ausländischen Klinik unumgänglich, wobei die Zustände dort gemäss Auskunft der Patient:innen teils unvorstellbar sind. Die Repatriierung in die Schweiz führt deshalb in der Regel zu einem ersten erleichterten Aufatmen.

Im Jahr 2022 nahm die Schweizerische Rettungsflugwacht (REGA) 1278 Repatriierungen vor, davon 1045 in den Rega-Ambulanzjets. Darunter wurden 407 Personen aufgrund von Verletzungen in die Schweiz zurückgeflogen (Rega, 2023).

Vielen Patient:innen und ihren Angehörigen wird erst in der Schweiz bewusst, was alles auf sie zukommt und wie gross das Ausmass des Unfalls resp. der Verletzung wirklich ist.

Autounfall im Ausland

Unfälle im Ausland können schlimm enden. Bild: depositphotos.com

Posttraumatische Belastungsstörungen

Nach der Rückkehr in den Alltag und einer ersten Phase der Regeneration werden die Betroffenen häufig von Flashbacks an den Unfall heimgesucht. Eine gewisse Traurigkeit, häufiges Weinen, Hadern mit der Frage: «Warum ich?», Schreckhaftigkeit und Gefühlsleere sind normale Reaktionen auf einen Unfall. Wenn diese Symptome aber auch nach etlichen Tagen nicht abklingen, können das erste Anzeichen einer posttraumatischen Belastungsstörung sein. Die WHO beschreibt weitere Anzeichen für eine Belastungsstörung (International Classification of Diseases, Eleventh Revision (ICD-11, 2022):

  • Wiedererleben: Das Ereignis wird in Form von Albträumen, Erinnerungen oder Rückblenden immer wieder erlebt. Das kann über mehrere Sinne erfolgen und ist typischerweise begleitet von überwältigenden Emotionen, insbesondere Angst und Entsetzen, und von starken körperlichen Empfindungen.

  • Vermeidungsverhalten: Vermeiden von Gedanken und Erinnerungen an das Ereignis oder auch Vermeiden von Personen und Situationen, die an das Ereignis erinnern.

  • Vegetative Übererregbarkeit: Wahrnehmung einer erhöhten aktuellen Bedrohung, die sich durch erhöhte Wachsamkeit oder eine erhöhte Schreckhaftigkeit bei unerwarteten Reizen zeigt.

Mörgeli (et al. 2012) weist darauf hin, bereits früh nach dem Trauma im Akutspital an mögliche Belastungen zu denken. Frühzeitiges Erkennen und eine damit einhergehende zeitnahe Behandlung hat einen positiven Einfluss auf die Heilung und die Lebensqualität. Besonders gefährdet sind junge Patient:innen – Frauen gemäss WHO häufiger als Männer – mit geringem Einkommen und schweren Verletzungen. Weniger betroffen sind Personen mit hohem Einkommen und höherem Bildungsgrad (Meneses et al., 2021).

Pflegende sollten dafür sensibilisiert werden, bei traumatischen Erlebnissen an eine Belastungsstörung zu denken. Kennen Pflegende die ersten Anzeichen dafür, können sie diese im Pflegeprozess festhalten, Interventionen einleiten und gegebenenfalls auch die Ärzt:innen, bzw. den psychologischen Dienst involvieren. Auch in der Nachkontrolle sollten die Patient:innen wieder nach Symptomen der posttraumatischen Belastungsstörung gefragt werden. So gibt es auch Belastungsstörungen, die erst Monate nach dem Unfall in Erscheinung treten (International Classification of Diseases, Eleventh Revision (ICD-11, 2022).

Weitere Folgen

Doch Belastungsstörungen sind nicht die einzige Sorge, welche die Patient:innen, Angehörige und auch das Gesundheitspersonal nach einer unfallbedingten Repatriierung beschäftigt. Kehren wir noch einmal zum eingangs beschriebenen Szenario zurück: Etwa eine Woche nach der Rückkehr in die Schweiz – die ersten Fortschritte sind sichtbar und der Optimismus beginnt zurückzukehren – kommt die nächste Hiobsbotschaft: der routinemäßige Abstrich auf multiresistente Erreger ist positiv (siehe Infobox).

Auch wenn nicht abschliessend geklärt werden kann, ob der Keim aus dem ausländischen Spital stammt oder vielleicht schon länger im Körper schlummert, sind «Was wäre, wenn»-Gedanken oder das Gefühl eines «Auch das noch!» kaum zu vermeiden. Durch die notwendige Isolation tritt eine weitere psychische Belastung auf. Auch bedingt durch den aussichtslosen Versuch, eine Patient:in mit einem multiresistenten Erreger in der Rehaklinik unterzubringen.

Ein Unfall im Ausland ist mit vielen Folgen verbunden, die auf den ersten Blick nicht immer sichtbar sind. Pflegende sollten sich darum dieses Wissen aneignen, um den Patient:innen und Angehörigen eine unterstützende Hand zu bieten und die Symptome zu normalisieren.

*Dieser Beitrag entstand im Kurs «Schreibkompetenz» während des Studiums zum Bachelor of Science FH in Nursing an der Careum Hochschule Gesundheit. Die Teilnehmenden wählten ein Thema, mit dem sie in der Regel in ihrem Berufsalltag in Berührung kommen. Die besten Beiträge wurden ausgewählt und für den Blog überarbeitet.



Literatur

International Classification of Diseases, Eleventh Revision (ICD-11). (2022). World Health Organization.

Meneses, E., Kinslow, K., McKenney, M., & Elkbuli, A. (2021). Post-Traumatic Stress Disorder in Adult and Pediatric Trauma Populations: A Literature Review. Journal of Surgical Research, 259, 357–362. Abstract.

Moergeli, H., Wittmann, L., & Schnyder, U. (2012). Quality of Life after Traumatic Injury: A Latent Trajectory Modeling Approach. Psychotherapy and Psychosomatics, 81(5), 305–311. Abstract.

Rega. (2023). Jahresbericht 2022. Im Einsatz für die Schweiz.

SUVA. (2021). 70 000 Personen verunfallen jährlich im Ausland – wer bezahlt?



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  • Wie können Patient:innen nach einer Repatriierung in ihrer Genesung unterstützt werden?
  • Was gibt es für Möglichkeiten, damit Patient:innen mit einem multiresistenten Erreger einen Platz in der Rehabilitation bekommen?

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