Schlaflos

Im Spital bedeutet Schichtarbeit oft, dass die Nacht zum Tag wird. Während Patient:innen rund um die Uhr betreut werden, gerät der Schlafrhythmus der Mitarbeitenden durcheinander. Doch wie sehr bringt dieses Durcheinander die innere Uhr aus dem Takt und lässt sie sich überhaupt im Rhythmus halten?

Schichtarbeit ist ein Thema, das viele Pflegende herausfordert. Das Pflegepersonal ist hohen Arbeitsbelastungen ausgesetzt. Es zeigen sich sowohl psychische als auch physische Belastungssymptome. Nacht- und Schichtarbeit stellt chronischen Jetlag dar. Pflegekräfte, die nachts arbeiten, stehen vor besonderen Herausforderungen. Neben der Störung der inneren Uhr bringen Pflegende auch emotionalen Stress mit nach Hause. Sie schultern eine grosse Verantwortung für die Patientenversorgung und müssen insbesondere während der Nachtschichten, oft allein, in Krisensituationen richtige Entscheidungen treffen (AOK Fachportal, 2024).

Gesundheitliche und soziale Auswirkungen der Schichtarbeit

Schichtarbeit führt dazu, dass Beschäftigte oft nicht genug Schlaf bekommen. So können sich Körper und Psyche oft nicht ausreichend erholen. In wissenschaftlichen Studien wird belegt, dass durch Schichtarbeit Konzentrations- und Gedächtnisprobleme häufiger auftreten (Boivin et al., 2022). Auch Schlafstörungen, Depressionen, Magen-Darm-Beschwerden oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen treten bei Schichtarbeitenden häufiger auf. Langfristige Tätigkeiten im Drei-Schicht-System erhöhen zudem das Risiko für bestimmte Krebsarten. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat 2019 die Arbeit in dauerhafter Nachtschicht als potenziell krebserregend eingestuft. Auch psychosoziale Folgen sind bei Schichtarbeitenden deutlich spürbar. So wird es schwieriger, regelmässig an Freizeitaktivitäten mit Freunden oder der Familie teilzunehmen (Wees, 2024).

Die innere Uhr und der Einfluss von Schichtarbeit

Die innere Uhr, auch bekannt als zirkadianer Rhythmus, reguliert zahlreiche körperliche Prozesse wie den Schlaf-Wach-Zyklus, die Körpertemperatur und die Produktion von Hormonen. Sie folgt dem natürlichen Wechsel von Licht und Dunkelheit. Schichtarbeit, vor allem Nachtdienste, stört jedoch dieses präzise abgestimmte System erheblich. Auch wenn wir nachts arbeiten, bleibt unsere genetische Programmierung unverändert. Die innere
biologische Uhr des Menschen ist nicht mit den zeitlichen Anforderungen der Schichtarbeit vereinbar. Die Körperkerntemperatur sinkt, unsere Aufmerksamkeit nimmt ab, und das Verdauungssystem wird verlangsamt (Krapf, 2022). Bei Schichtarbeit wird gegen die innere Uhr gearbeitet, was zu einer erhöhten Fehleranfälligkeit führt. Schichtarbeit verlangt dem Organismus ab, sowohl Leistung als auch Regeneration zu ungeeigneten Zeiten zu erbringen (Ärzteblatt, 2006).


Auswirkungen der Schichtarbeit auf das zirkadiane System und die Gesundheit

  • Störung des zirkadianen Systems: Nachtschichten stören das zirkadiane System, da abrupte Änderungen im Schlaf-Wach-Rhythmus und in der Licht-Dunkel-Exposition das System fehlanpassen. Hormonelle Ausschüttungsmuster (z. B. Melatonin, Cortisol) stimmen nicht mit den Arbeitszeiten überein (Boivin et al., 2022).
  • Anpassung des zirkadianen Systems: Studien zeigen, dass sich das zentrale zirkadiane System nur teilweise und erst nach mehreren Tagen an Nachtschichten anpasst. Nur etwa 25 % der Schichtarbeitenden passen sich vollständig an, was von Faktoren wie dem Chronotyp und den Umgebungsbedingungen abhängt (Boivin et al., 2022).

Herausforderungen der Nachtschicht

Schichtarbeit in der Nacht stellt eine erhebliche Herausforderung für den Schlaf dar. Viele Betroffene leiden unter Schlaflosigkeit, verkürzten Schlafphasen und verminderter Schlafqualität, da sie tagsüber schlafen, wenn die Melatoninwerte am niedrigsten sind. Die individuelle Toleranz gegenüber Schichtarbeit variiert stark und hängt von Faktoren wie zirkadianer Fehlausrichtung, Schlaf-Wach-Störungen sowie persönlichen und familiären Gegebenheiten ab. Da es keine universelle Lösung für die Probleme der Schichtarbeit gibt, erfordert die Bewältigung ihrer Auswirkungen einen ganzheitlichen Ansatz (Boivin & Boudreau, 2014).

Behandlungsstrategien zur Verbesserung des Schlafchaos
 

Strategie                              Massnahmen

Individuelle
Schichtplanung
  • Schichtpläne sollten unter Berücksichtigung des persönlichen Chronotyps individuell gestaltet werden. Ein Chronotyp ist der natürliche Schlaf-Wach-Rhythmus eines Menschen (innere Uhr).
  • Die Berücksichtigung des Chronotyps fördert die allgemeine Befindlichkeit und optimiert die Schlafqualität.
Optimale
Reihenfolge der Schichten
  • Ein Übergang von Tag- zur Abend- und Nachtschicht im Uhrzeigersinn ist vorteilhaft und unterstützt den natürlichen zirkadianen Rhythmus. 
Feste Schlaf-Wach-Zeiten
  • Schichtarbeitende sollten auch an freien Tagen regelmässig zu
    festen Zeiten schlafen gehen
Kurze Pausen
  • Kurze Nickerchen können die Leistungsfähigkeit steigern
  • Empfohlen wird ein Schlaf von 1 bis 2 Stunden vor einer
    Nachtschicht, um den Schlafdruck zu reduzieren
Verwendung von Stimulanzien
  • Gelegentliche Nutzung von Stimulanzien wie Modafinil können helfen, die Schläfrigkeit während der Nachtschicht zu verringern und die Wachsamkeit zu steigern.
Lichttherapie
  • Gezielte Lichtexposition (z.B. helles Licht während der Nachtschicht) kann die Anpassung fördern.
Ernährung
  • Schichtarbeitende sollten protein- und kohlenhydratreiche Mahlzeiten bevorzugen und schwere Mahlzeiten vor dem Schlafen vermeiden.
  • Ein leerer oder überfüllter Magen kann Schlafprobleme verursachen.
  • Koffeinhaltige Getränke mindestens vier Stunden vor dem Schlafen vermeiden.
  • Vitamine, Folsäure und Magnesium verringern Müdigkeit und stützen die Konzentration.
Schlafhygiene
  • Der Raum sollte dunkel, kühl und ruhig sein, um optimale Schlafbedingungen zu gewährleisten.
  • Entspannungsrituale vor dem Schlafen, wie Zähneputzen oder Umziehen, helfen, den Körper auf den Schlaf vorzubereiten.
  • Bestimmte Rituale wie ein beruhigender Kräutertee signalisieren dem Körper, dass es Zeit für den Schlaf ist.

Fazit

Dieser Beitrag machte deutlich, wie wichtig ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Arbeit und Erholung für die Gesundheit ist. Es sind die kleinen, aber wirkungsvollen Massnahmen wie individuell abgestimmte Schlafstrategien, eine bewusste Ernährung und ausreichend Erholungsphasen, die dabei helfen, die körperliche und seelische Gesundheit zu bewahren. Arbeitgeber sollten zudem strukturelle Massnahmen wie optimierte Dienstpläne und Ruhezeiten fördern, um die Gesundheit ihrer Mitarbeitenden langfristig zu schützen.
Ein grosser Dank und Respekt gilt allen, die die Herausforderungen der Schichtarbeit täglich meistern und dabei ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden stets im Blick behalten!

*Dieser Beitrag entstand im Kurs «Schreibkompetenz» während des Studiums zum Bachelor of Science FH in Nursing an der Careum Hochschule Gesundheit. Die Teilnehmenden wählten ein Thema, mit dem sie in der Regel in ihrem Berufsalltag in Berührung kommen. Die besten Beiträge wurden ausgewählt und für den Blog überarbeitet.


Quellen:

AOK. Schichtarbeit und Nachtschicht in der Pflege. (2024). Onlinebeitrag.

Blaeser-Kiel, G. (2006). Schichtarbeiter- Syndrom: Es rächt sich, die innere Uhr zu ignorieren. Deutsches Ärzteblatt.

Boivin, D. B., & Boudreau, P. (2014). Impacts of shift work on sleep and circadian rhythms. Pathologie Biologie, 62(5), 292–301. Abstract.

Boivin, D. B., Boudreau, P., & Kosmadopoulos, A. (2022). Disturbance of the Circadian System in Shift Work and Its Health Impact. Journal of Biological Rhythms, 37(1), 3–28. Abstract.

Krapf, F. (2022). Auswirkungen von Schichtarbeit auf die Gesundheit. rbb (01/2021).

Rodenbeck, A. (2021). Schlafprobleme bei Schichtarbeit. Patientenratgeber DGSM. PDF.

Wees, H.-G. (2024). Schlafprobleme bei Schichtarbeit: Trotzdem fest und gesund schlafen. BARMER.



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  • Welche Strategien haben Sie persönlich entwickelt, um mit den Herausforderungen der Schichtarbeit umzugehen?
  • Wie könnte Ihrer Meinung nach der Arbeitgeber dazu beitragen, den Schlafrhythmus der Mitarbeitenden besser zu unterstützen?

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