Kompass Corona und Resilienz

Personen in systemrelevanten Berufen wie Pflegefachpersonen sind in der Corona-Pandemie besonders herausgefordert. Wie stemmt man solche grossen psychischen und physischen Belastungen? Ein Rückblick auf die erste Corona-Welle im Frühling 2020.

Die Corona-Pandemie veränderte unseren Pflegealltag im Universitätsspital Zürich. Auf unserer Abteilung konnten wir zwar unsere Ruhezeiten einhalten und mussten nie Überstunden machen. Trotzdem gab es bei uns Veränderungen. Unsere eigentliche Abteilung wurde geschlossen. Wir mussten als komplette Abteilung einer normalen Bettenstation für fast sechs Wochen fix auf einer neu eingerichteten Covid-Intensivpflegestation (IPS) arbeiten.

Arbeiten während der Pandemie

Es ist bekannt, dass der Pflegeberuf bereits in normalen Zeiten ein physisch und psychisch anstrengender Beruf ist. Während der Corona-Pandemie ist aber diese Belastung besonders hoch: Zum Beispiel die Sorge, dass man sich selber oder andere in der Familie anstecken könnte.

Es ist aber auch belastend, das grosse Leid der Covid-Patientinnen und -Patienten mit anzusehen. Dazu kommt die körperliche Komponente: Die Arbeit während einer ganzen Schicht von acht oder mehr Stunden in Schutzanzügen, mit engen Masken und dicht anliegenden Schutzbrillen stellt eine Herausforderung dar.

Die grosse Veränderung, von einem Tag auf den anderen von einer gewöhnlichen Bettenstation auf eine Intensivstation zu wechseln, brachte mulmige Gefühle, Ängste, Sorgen und nicht zuletzt auch krankgeschriebenes Personal mit sich.

Aber es gab auch motivierte Pflegefachpersonen, die diese neue Herausforderung gerne annahmen. Es zeigte sich, dass die einen belastbarer waren als die anderen. Dies mag unterschiedliche Ursachen haben, unter anderem bedingt durch eine höhere Resilienz.

Der durch die Coronakrise bedingte abrupte Wechsel auf die Intensivstation hatte die Folge, dass wir nur eine kurze Einführung in unsere neue Aufgabe erhielten. Dann wurden wir als Hilfspersonal mit den IPS-Fachleuten eingesetzt. Bisher arbeiteten wir selbstständig, plötzlich standen wir vor einer veränderten Situation. Jede Pflegefachperson wurde einer IPS-Fachperson zugeteilt, mit der man zusammenarbeitete. Wir arbeiteten im Skill-Grade-Mix.

Auch bei den IPS-Fachleuten zeigte sich ein Unterschied: Während einige geduldig waren und das neue Personal gut anleiteten, waren andere wiederum mit der neuen Situation überfordert. Denn die meisten IPS-Fachleute wurden von anderen Intensivstationen auf die neu geschaffene Covid-Intensivstation eingeteilt und mussten sich selbst zuerst mit der neuen Situation anfreunden.

Einige von uns Pflegefachpersonen waren mit ihrer Arbeit auf der IPS überfordert, weil ein grosses Defizit an technischer Bildung und klinischem Know-how bestand. Teilweise war auch das Bildungsniveau tiefer.

Obwohl wir im Hintergrund als Hilfspersonal arbeiteten und keine Verantwortung trugen, war die Angst gross, etwas falsch zu machen. Andererseits stellte der Arbeitgeber verschiedene Ressourcen als Hilfestellungen bereit, unter anderem wurde ein Care-Team und eine Hotline speziell für das Personal eingerichtet.

Rolle der Resilienz

Die aktuelle Studie von (Manomenidis et al., 2019) zeigt auf, dass die Angst, das Bildungsniveau und die mentale Vorbereitung eine wichtige Rolle in Bezug auf die Resilienz des Pflegepersonals spielen. Die Stressoren und die Überforderungen am Arbeitsplatz führen einerseits zu körperlichen Problemen wie muskuloskelettalen Erkrankungen, andererseits auch zu emotionalen Belastungen. Diese kann zu Schlafstörungen, zu Burnouts und Depressionen führen. Dies wirkt sich wiederum auch auf die Pflegequalität und Patientensicherheit aus (Manomenidis et al., 2019).

Resilienz

Starke Wurzeln helfen der Resilienz. Symbolbild: vilaxlt/Depositphoto

Obwohl die Resilienz individuell ist, jeder Mensch Stressoren anders erlebt und seine eigenen Methoden für die Verarbeitung entwickelt, gibt es Gemeinsamkeiten:

Das «Rahmenmodell von Resilienz» nach Kumpfer versucht, die komplexe Entstehung von Resilienz zu erfassen (Kumpfer, 1999). Daraus habe ich die personellen Ressourcen und Resilienzfaktoren zusammengefasst und mit weiteren Studienergebnissen der Resilienz für Pflegende eine Empfehlung abgeleitet:

  • Emotionale Stabilität:
    «Alle Gefühle zulassen», die «Gefühle ernst nehmen» und auf «Warnsignale achten». Darüber reden, bei Bedarf professionelle Hilfe holen. Kontrolle über seine Emotionen haben. Herausfinden, wie man mit negativen Emotionen umgehen kann, was einem Freude bereitet.
  • Körperliche Gesundheitsressourcen:
    Versuchen, sich körperlich gesund zu halten. Hobbies und Sport weiterführen, auch wenn die Schichtarbeit im Pflegealltag dies oft erschwert. Man kann Sport zum Beispiel auf dem Arbeitsweg oder nach der Arbeit einbauen. Eine wichtige Ressource ist auch gesunder Schlaf. Pflegende sollten versuchen, genügend Schlaf zu bekommen, damit der Körper sich körperlich und psychisch erholen kann.
  • Kognitive Fähigkeiten:
    Konzentration stärken, indem man sich nicht von Störfaktoren ablenken lässt. Durch Fort- und Weiterbildungen sein Wissen und seine Fähigkeiten erweitern.
  • Soziale Kompetenzen:
    Die Beziehungen mit der Familie, Bekannten und Freunden pflegen. Sorgen und Erlebnisse lassen sich auch mit Arbeitskolleginnen und -kollegen austauschen, da diese oft mehr Verständnis dafür haben und die Probleme nachvollziehen können.
  • Motivation/Glaube:
    Herausfinden, was einen motiviert. Veränderungen im Pflegealltag akzeptieren und positive Schlüsse daraus ziehen. Den Glauben nicht verlieren und seine Rituale, unter anderem etwa Gebete, weiterführen.

Die Studie von Jackson et al. empfiehlt, die Förderung der Resilienz bereits in der Pflegeausbildung zu integrieren und Pflegefachleuten professionelle Unterstützung durch Mentoren ihres Arbeitsumfeldes zur Verfügung zu stellen (Jackson et al., 2007).

Fazit

Pflegefachpersonen sind in ihrem beruflichen Alltag physisch und emotional stark belastet. Wissenschaftlich lässt sich belegen, dass die Förderung der Resilienz und des Wohlbefindens von Pflegefachleuten einen wichtigen Teil dazu beiträgt, körperliche und psychische Folgeerkrankungen von Pflegenden trotz herausfordernder Arbeitsumgebung zu reduzieren und gleichzeitig eine qualitativ hochstehende Pflegequalität zu gewährleisten.

Mir persönlich half die gute Einführung und Begleitung durch die IPS-Kollegin, fortlaufende und transparente Informationen durch die Führungsebene und die Ruhezeit mit der Familie und der Garten.

*Dieser Beitrag entstand im Kurs «Schreibkompetenz» während des Studiums zum Bachelor of Science FH in Nursing an der Careum Hochschule Gesundheit. Die Teilnehmenden wählten ein Thema, mit dem sie in der Regel in ihrem Berufsalltag in Berührung kommen. Die besten Beiträge wurden ausgewählt und für den Blog überarbeitet.

Literatur

Jackson, D., Firtko, A., & Edenborough, M. (2007). Personal resilience as a strategy for surviving and thriving in the face of workplace adversity: A literature review. Journal of Advanced Nursing60 (1), 1–9. Abstract hier.

Kumpfer, K. L. (1999). Factors and processes contributing to resilience: The resilience framework. Kluwer Academic/Plenum Publisher. Abstract hier.

Manomenidis, G., Panagopoulou, E., & Montgomery, A. (2019). Resilience in nursing: The role of internal and external factors. Journal of Nursing Management27(1), 172–178. Abstract hier.

Young, P. D., & Rushton, C. H. (2017). A concept analysis of moral resilience. Nursing Outlook65(5), 579–587. Artikel hier.

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