Mehr Informationen zum Deep Dive
Deep-Dive-Veranstaltungen finden bei Careum in unregelmässiger Folge statt. Wir möchten damit ausgewiesenen nationalen oder internationalen Expert:innen die Bühne geben, um ein aktuelles Thema aus den Bereichen Bildung, Gesundheit, Soziales vorzustellen und mit ausgewählten Entscheidungsträger:innen zu diskutieren. Eingeladen wird ein kleiner, ausgewählter Teilnehmerkreis. Dazu gehören unter anderem Mitglieder aus dem Netzwerk Sciana und die Absolvent:innen des Mentoringprogramms, das Careum zusammen mit der B. Braun-Stiftung durchführt.
Kommentare
Ich teile die Einschätzung, dass alles an die medizinische Diagnose geknüpft ist. Dies scheint mir im Vergütungssystem der DRG's auch nicht überraschend. Auch die Prämienerhöhungen scheinen nicht zu überraschen, da spätestens seit Einführung der DRG's klar der Grundsatz "ambulant vor stationär" verfolgt wird. Die Vergütung aus den unterschiedlichen Töpfen der öffentlichen Hand und der Krankenversicherer scheint mir ein Hauptproblem im Gesundheitssystem zu sein. Solange diese beiden Player daran interessiert sind, dass die Leistungen aus dem jeweilig anderen Topf bezahlt werden, wird sich meiner Meinung nach kaum wesentlich etwas ändern können. Auch fehlt es den pflegerischen (wie vielen medizinisch-therapeutischen) Interventionen nach wie vor an Evidenz. Wenn deren Wirksamkeit in Frage gestellt wird, treiben wir zwangsläufig die apparative Medizin voran - bezahlt wird, was messbar ist. Gerade in der Betreuung ein fataler Schluss. In Zeiten hochtechnologisierter und hochspezialisierter Spitzenmedizin sollte die Frage nach Angemessenheit mehr Gewicht erhalten. Durch Corona fanden ethische Fragen den Weg auf das gesellschaftspolitische Parkett, die bis anhin allenfalls hinter vorgehaltener Hand gestellt und diskutiert wurden. Ich denke, wir sollten, ja müssen diese Fragen stellen und diskutieren - auch wenn sie brisant und unbequem sind!
Peter Berchtold
Sehr geehrte Frau Bracher, vielen Dank für Ihren Kommentar. Sie sprechen mehere wichtige Themen an: zum einen die unterschiedlichen Finanzierungstöpfe, die in der Tat vieles behindern. Das soll mit EFAS ja auch angegangen werden. Und gleichzeitig denke ich, dass der Effekt von Finanzierungs- und Vergütungsaspekten auf die Leistungserbringenden - auch wenn er vorhanden ist - stark überschätzt wird. Das hiesse ja auch, dass Veränderung nicht (nur) aus diesem Bereich erwartet werden darf. Das andere ist das Evidenz-Thema und ja, es trifft wohl zu, dass wir sehr viele Evidenzlücken haben. Die Biologie ist eben sehr viel komplexer als noch vor nicht allzu langer Zeit gedacht. Und ich würde mir auch als Arzt wünschen, dass mehr Patienten die Frage nach Angemessenheit stellen würden.
Gaby Bracher
Sehr geehrter Herr Berchtold, vielen Dank für Ihre Antwort. Dann drücken wir EFAS mal die Daumen, dass es im parlamentarischen Prozess nicht bis zur Unkenntlichkeit zerpflückt wird und zeitnah echtes Gehör findet. Auch teile ich Ihre Ansicht, dass mit EFAS nicht alle Probleme gelöst sind. Es warten noch zahlreiche Herausforderungen auf die Akteure im Gesundheitswesen, die Politik und letztlich auch auf die Patienten. Es wäre wünschenswert, wenn alle Betroffenen sich aktiv an möglichen Lösungen beteiligen, aufstehen (wie im Artikel schön formuliert) und eine konstruktive Zusammenarbeit anstreben. Uns allen wünsche ich hierbei gutes Gelingen.
Bruno Facci
Florence Nightingale hatte recht: Den Patienten geht es gut, wenn niemand die Oberhand hat. Heute hat die Ökonomie die Überhand. Das zeigt sich darin, dass den Geschäftsleitungen in Spitälern, Kliniken und Heimen jeweils ein CEO vorsteht, der in der Regel eine Wirtschaftsausbildung hinter sich hat. In den achtziger Jahren wurde die Führung dieser Institutionen in der Regel von einem interdisziplinären Gremium geführt, bestehend aus ärztlicher, pflegerischer und betriebswirtschaftlicher Leitung. Mit dem KVG von 1996 wurde diese Form nach und nach aufgegeben, verlangte dieses doch mehr Wettbewerb, Wirtschaftlichkeit und Effizienzsteigerungen, um die Gesundheitskosten zu dämpfen. Das ist bis heute nicht eingetreten. Dass die Pflege aufstehen soll und die Ärzte sich nicht bewegen sollen ist nichts weiter als die immer noch spürbare Arroganz der Arztgilde gegenüber Pflegenden. Und EFAS ist nichts weiter als eine Nebelpetarde. Damit werden keine Kosten gesenkt und keine unnötigen Behandlungen verhindert. Die bestehenden Kosten werden einfach neu verteilt. Für die Kostendämmung gibt es nur eine Lösung: Wir müssen wegkommen von der mit dem KVG gezüchteten Krämerseelen-Mentalität, die den sozialen Auftrag des Gesundheitwesen verdrängt hat.
Peter Berchtold
Sehr geehrter Herr Facci, vielen Dank für Ihren Kommentar. In zwei Punkten stimme ich mit Ihnen überein, nämlich dass Florence Nightingale Recht hatte und dass mit dem KVG eine Ökonomisierung in die Gesundheitsversorgung Einzug hielt ohne nenneswerten Effekt auf Wirtschaftlichkeit und Effizienz. Als Lösung versuchte ich daher aufzuzeigen, dass wieder Augenhöhe zwischen Pflege, Medizin und Ökonomie hergestellt werden muss und dies über eine Stärkung der Pflege erreicht wird. Dass "sich die Ärzte nicht bewegen sollen" war natürlich nicht gemeint, sondern, dass sich die Arztgilde dann bewegen wird!
Margarete Stepanik
Sehr geehrter Herr Dr Berchtold, Da dieses Thema vor Landesgrenzen ja nicht haltmacht, erlaube auch ich mir eine Frage zu stellen: Sie sprechen davon, dass auch die Pflege aufstehen muss, um auf Augenhöhe mit der Medizin zu kommen. Prinzipiell bin ich ihrer Meinung, dass Veränderung nie nur von einer Seite ausgehen kann. Allerdings ist mir "aufstehen" doch ein wenig zu allgemein formuliert, in welcher Form kann die Pflege sich noch selbst "stärken" um entsprechend zu wachsen? Die Akademisierung scheint nicht das Mittel zur Wahl gewesen zu sein, die Pflegenden sind gebildet wie nie zuvor, eine evidenzbasierte Pflege prinzipiell - mit bereits genannten Einschränkungen durch die Komplexität der Biologie - gegeben, professionell und emanzipiert das Gesamtbild. Selbst die Impulse zur Repositionierung des Patienten in die Mitte allen Tuns gehen, in meiner Wahrnehmung meist von der Pflege aus, welche eine Koexistenz aller beteiligten Berufsgruppen unterstützt und fördert. Ähnlich starke Impulse lassen manch andere Berufsgruppen zum Teil vermissen, wobei dieser Umstand durch unterschiedliche Machtverhältnisse fast unabänderlich erscheint. Ist es da nicht legitim, davon auszugehen, dass ohne entsprechende Unterstützung vom Regulator eine Veränderung ebensowenig stattfinden kann wie ohne Mitarbeit aller Beteiligten?
Peter Berchtold
Sehr geehrte Frau Stepanik, vielen dank für Ihren Kommentar, in dem Sie auf einen zentral wichtigen Punkt hinweisen: trotz der vielen von Ihnen erwähnten Impulsen und Initiativen scheinen sich Position und Rolle der Pflegenden im Versorgungssystem kaum zu verändern. Die Gründe hierfür sind natürlich vielfältig, gleichzeitig aber sicherlich nicht nur durch die bestehenden Machtverhältnisse zu erklären. Die Frage, ob es nicht vermehrte Unterstützung durch den Regulator braucht, würde ich nicht verneinen wollen. Voraussetzung dafür sind in meinen Augen jedoch dezidiertere Vorstellungen zu neuen Rollen der Pflegefackkräfte und zu Massnahmen, um diese zu implementieren. Erst danmn kann der Regulator unterstützend eingreifen.
Gaby Bracher