Menschlichkeit in der Pflege

Über die Menschlichkeit und Fürsorge in der Pflege

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Dieser Tage viel genannt und oft zitiert – Menschlichkeit und Fürsorge in der pflegerischen Arbeit. Unter dem Begriff «Caring» wiederfährt diesen Ansätzen – nicht nur aus aktuellen Anlass – neue Aufmerksamkeit.

Der Gedanke des französischen Philosophen und Schriftstellers Luc de Clapiers Vauvernargues (1715–1747) «Die Menschlichkeit ist die wichtigste Tugend» nimmt Fachpersonen des Gesundheitswesens jeden Tag in die Pflicht. Und während der Coronapandemie in ganz besonderer Art und Weise. Wie und wo aber hat die Menschlichkeit in den vielfach hektischen Alltagssituationen der Pflege ihren Platz? Eine Frage, der sich Sr. Liliane Juchli bis zu ihrem Tod in der vergangenen Woche immer wieder gewidmet hat. Für sie waren Menschlichkeit und Fürsorge die tragende Säulen der professionellen Pflege-Patienten Beziehung. Auch und gerade vor dem Hintergrund der Evidenzbasierung und der wissenschaftlichen Entwicklung des Pflegeberufes. Denn Fürsorge und wissenschaftsbasierte Pflegearbeit waren für Liliane Juchli kein Widerspruch. Eher im Gegenteil, denn aktuell rücken wissenschaftliche Untersuchungen und Publikationen den Ansatz des «Caring» wieder mehr in den Vordergrund und zeigen, dass Pflege mehr ist als nur die Summe der Einzelhandlungen und Pflegeplanung.

Menschlichkeit – was ist das?

Menschlichkeit beginnt zunächst bei jedem selbst und nimmt daher sehr individuelle Züge an. Menschlichkeit muss in der täglichen Begegnung mit den Anderen gelebt und erfahren werden. Im Duden findet sich zum einen «das Sein, Dasein als Mensch, als menschliches Wesen», aber auch «menschliche Haltung und Gesinnung» als Erklärung (Duden, 2020). Der Begriff geht auf das lateinische humanitas zurück. Zu den humanitären Grundsätzen zählen die prinzipielle Gleichheit aller Menschen, die Menschenwürde, die Toleranz und die Achtung der Anderen und deren Überzeugungen. Diese Grundsätze finden sich auch in der Deklaration der Menschenrechte wieder (Vereinte Nationen, 1948). Dabei ist die Fähigkeit zur Menschlichkeit keine naturgegebene Eigenschaft des Menschen, vielmehr muss er dies im Laufe des Lebens entwickeln (Herder, 2013).

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Für den anderen da sein. Bild: skalekar1992/Pixabay

Fürsorge als Basis der Pflege

Die Idee des Caring, der fürsorgenden Pflege ist keine neue. Bereits in der Hochphase der amerikanischen Pflegetheorien wurde der Ansatz vor allem von Jean Watson wissenschaftlich untersucht und zu einer Theorie verdichtet. Watson versteht unter Caring das moralische Ideal der Pflege, wobei der Schutz und die Würde des Menschen im Vordergrund stehen. Diese menschliche Fürsorge beinhaltet Werte, den Willen und die Verpflichtung, stets vor dem Hintergrund aktuellen Fachwissens und pflegerisch fürsorglich zu handeln. Dabei spielen unter anderem die Wahrnehmungen des Anderen und des Selbst sowie die Reflexion über zwischenmenschliche Interaktionen eine wichtige Rolle (Blasdell, 2017).

Für Sonya Hardin (2020) ist Fürsorge eine der wichtigsten Eigenschaften, um Vertrauen zu anderen Menschen aufzubauen. Dieses Fürsorgende wird für sie durch die professionelle Nähe zu den Patienten und Patientinnen und das freundlich Zugewandte transportiert. Eben dieses ist aktuell erschwert. Menschen und Gesichter verschwinden in Schutzkleidung und hinter Masken. Ebendann ist die aufrichtige Zugewandtheit besonders wichtig.

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Hinter der Maske steckt immer ein Mensch. Bild: Helena Jankovičová Kováčová/Pixabay

Fürsorge hat viele Facetten

Fürsorge wird als menschliches Verhalten wahrgenommen, das kognitive, affektive, psychomotorische und administrative Fähigkeiten umfasst, in denen professionelle Fürsorge zum Ausdruck gebracht werden kann (Wilkin, 2013). Hier zeigt sich, dass Fürsorge ein mehrdimensionale Konzept darstellt, das sich auf verschiedenen Säulen stützt. Und ebenso wie sich die Menschlichkeit im Laufe des Lebens entwickeln und entfalten muss, bauen auch Pflegende ihre fürsorgenden Kompetenzen schrittweise, aber stetig auf und aus. Jean Watson (2006) weist schon früh darauf hin, dass Fürsorge und fürsorgendes Handeln schwer umzusetzen sind, wenn ökonomische, administrative und/oder technologische Rahmenbedingungen die Arbeit und die Aufgaben in den Gesundheitssystemen dominieren. Auch knappe Ressourcen haben Einfluss auf fürsorgendes Handeln und lässt die Fachpersonen an die Grenzen der Belastbarkeit kommen.

Auch die amerikanische Pflegewissenschafterin Kirsten Swanson hat sich mit dem Konzept des Caring beschäftigt und dies wissenschaftlich in einer Theorie ausgearbeitet. Für sie ist Caring ein pflegerischer Ansatz, der dazu führt, dass sich bei Patienten und Patientinnen Wohlbefinden einstellen kann. Für sie ist Caring die Art von wertschätzender Beziehung, in der Gesundheit und Wachstum beidseitig möglich werden (SBK, 2011). Es wird sich zeigen, welche Bedeutung der Ansatz des Caring zukünftig haben wird und welches Potenzial darin steckt. Denn Pflege ist auch immer die Verbindung zwischen und das Zugewandt sein von Menschen.

Quellen

Blasdell, N.D. (2017). The Meaning of Caring in Nursing Practice. International Journal of Nursing Clinical Practice, 4: 238

Duden (2020). Menschlichkeit. Biographisches Institut GmbH. www.duden.de

Hardin, S. (2020). Why caring is important in nursing. https://louisville.edu/nursing/dean/messages-from-the-dean/why-caring-is-important-in-nursing (9.12.2020)

Herder, J.G. (2013). Briefe zur Beförderung der Humanität. Neusatz vorhandener Schriften. CreateSpace Independent Publishing Platform

SBK (2011). Professionelle Pflege Schweiz. Perspektiven 2020. SBK-ASI: Schweizer Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner (9.12.2020)

Watson, J. (2006). Caring Theory as an Ethical Guide to Administrative and Clinical Practices. Nursing Administration Quarterly (Jan. to March), 48–55

Vereinte Nationen (1948). Allgemeine Erklärung der Menschenrechte. https://www.un.org/en/our-work/protect-human-rights

Wilkin, K. (2003). The meaning of caring in the practice of intensive care nursing. British Journal of Nursing, 12(20), 1178–1185.

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