
Gesunde Ernährung im Alter ist wichtig. Doch bei Menschen über 65 kann das Essen an Bedeutung verlieren. Wieso das so ist und welche Risiken eine Veränderung der Essgewohnheit mit sich bringt, erfahren Sie in diesem Beitrag.
Zunehmend berichten Menschen über 65, dass sie weniger essen oder nicht motiviert sind, sich eine Mahlzeit zuzubereiten. Dies zeigt sich auch, wenn sie in ein Alters- oder Pflegeheim eintreten. Oft sind sie in einem schlechteren Allgemeinzustand. Als Gründe für eine eingeschränkte Nahrungsaufnahme nennen sie häufig Appetitlosigkeit und dass sich ihr Geschmacksempfinden verändert habe. Die Lust zu essen nimmt ab. Es fehlt an Fähigkeiten und Motivation, die Mahlzeit zubereiten zu können.
Essen? Habe ich vergessen!
Im Alter verändert sich der Körper. Verschiedene Faktoren können sich auf die Nahrungsaufnahme bei Menschen über 65 Jahren auswirken. Zum Beispiel kann das Hungergefühl abnehmen, die Mundhygiene und der Zustand der Zähne werden schlechter oder eine Demenz liegt vor.
Ein weiterer oft übersehener Faktor ist die Altersarmut und ihre Auswirkungen auf die Nahrungsmittelversorgung. In der Literatur werden noch weitere körperliche Gründe für auftretende Ernährungsstörungen aufgeführt, wie beispielsweise Xerostomie (Mundtrockenheit), Arzneimittelnebenwirkungen sowie Kau- und Schluckbeschwerden (Andreae et al., 2016). Mangelernährung kann durch eine oder mehrere der genannten Ursachen entstehen.
Mangelernährung bei Menschen über 65
Die Mangelernährung, auch Malnutrition, genannt, wird nach Andreae et. al. (2016) folgendermassen beschrieben: «Der Begriff Malnutrition wird häufig synonym mit Mangelernährung oder Fehlernährung verwendet. Malnutrition kann somit auch bei normal- oder übergewichtigen Menschen auftreten (z.B. bei Alkoholikern oder sehr einseitiger Ernährung). Es fehlen bestimmte Nährstoffe, oder sie sind in zu geringer Menge vorhanden. Dazu zählen neben Kohlenhydraten auch Proteine, essenzielle Fettsäuren, Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente» (Andreae et al., 2016, S. 334).
Gemäss der Eidgenössischen Ernährungskommission variieren die Schätzungen zur Häufigkeit von Mangelernährung aufgrund unterschiedlicher Definitionen und Erhebungsinstrumente. Es kann jedoch gesagt werden, dass im Durchschnitt ein Fünftel bis ein Viertel der Personen, die ins Spital eintreten, mangelernährt oder ein Risiko für eine Mangelernährung aufweisen (Eidgenössische Ernährungskommission EEK, 2018, S. 8).
Eine Therapie ist anspruchsvoll. Wenn das Ernährungsmanagement im Alters- und Pflegeheim nicht korrekt durchgeführt wird, kann sich eine lebensbedrohliche Komplikation entwickeln.
Komplikation bei Mangelernährung: Das Refeeding-Syndrom
Beim Refeeding-Syndrom handelt es sich um eine potentiell lebensbedrohliche Komplikation, die bei der Ernährungstherapie in der sogenannten Wiederauffüllungsphase auftritt. Das Refeeding-Syndrom trat erstmals in Zusammenhang mit Gefangenen des zweiten Weltkriegs auf. Beobachtungen zufolge starben viele Gefangene, welche eine lange Fasten- oder Hungerperiode hinter sich hatten, als sie wieder normal zu essen begannen. Das Refeeding-Syndrom ist seit 70 Jahren bekannt und wird seitdem untersucht (Aubry et al., 2018).
Wenn der Körper längere Zeit wenig oder keine Nahrung erhält und die Nahrungszufuhr nach dieser katabolen Phase zu schnell erfolgt, kann sich bei der Behandlung der Mangelernährung das Refeeding-Syndrom als Komplikation entwickeln. «Bei Wiederbeginn mit vollwertiger Ernährung nach einer Phase einer solchen katabolen Stoffwechsellage kommt es zu metabolischen Veränderungen, die zu einem akuten Mangel an verfügbaren Elektrolyten und anderen Mikronährstoffen führen und dann lebensbedrohliche Komplikationen auslösen können. Das Auftreten solcher Komplikationen nach Wiederbeginn der Ernährung wird als Refeeding-Syndrom bezeichnet» (Nguyen et al., 2021).
Wird das Refeeding-Syndrom aus pathologischer Sicht betrachtet, stellt es eine übertriebene Reaktion vom unterernährten menschlichen Körper auf die Ernährungstherapie dar. Mit der Nahrungsaufnahme und mit dem Wechsel von einer anabolen - also aufbauenden - in eine katabole energiegewinnende und abbauende Stoffwechsellage, kann es zu Einschränkungen in den körperorganischen Funktionen und zu Flüssigkeits- und Elektrolytstörungen kommen. Dabei treten Symptome wie Herzinsuffizienz, Ödeme in den Extremitäten und neurologische Störungen auf. Stoffwechselprozesse von Fett, Eiweiss und Glukose sind gestört. Ein Vitaminmangel, insbesondere des Vitamins B1, ist die Folge. Werden diese Störungen nicht umfangreich behandelt, wirken sie sich negativ aus und führen zum Multiorganversagen (Aubry et al., 2018).

Gesunde Ernährung ist wichtig - auch im Alter. Foto: Depositfotos.
Präventive Massnahmen bei Mangelernährung und Refeeding-Syndrom
Um das Risiko des Refeeding-Syndroms zu reduzieren, ist es wichtig, den Kostaufbau bei mangelernährten Menschen über 65 sorgfältig zu initiieren. Ein individuelles Screening mit einem Assessmentinstrument, zum Beispiel dem Mini-Nutritional-Assessment (MNA), kann bereits Aufschluss über das Risiko einer Mangelernährung geben.
Wie bereits erwähnt, ist ein kontrollierter und langsamer Kostaufbau bei Menschen mit Mangelernährung wichtig, um die Komplikation des Refeeding-Syndroms zu vermeiden. Eine wichtige Schnittstelle stellt hier die Ernährungsberatung dar. Im interdisziplinären Austausch mit Ärzt:innen, Pflegefachpersonen und der Ernährungsberatung wird die Ernährungssituation der betroffenen Person analysiert und geeignete Interventionen eingeleitet. So kann das interdisziplinäre Team dazu beitragen, dass mangelernährte Menschen über 65 wieder Freude am Essen entwickeln und einen gesunden Lebensstil verfolgen.
*Dieser Beitrag entstand im Kurs «Schreibkompetenz» während des Studiums zum Bachelor of Science FH in Nursing an der Careum Hochschule Gesundheit. Die Teilnehmenden wählten ein Thema, mit dem sie in der Regel in ihrem Berufsalltag in Berührung kommen. Die besten Beiträge wurden ausgewählt und für den Blog überarbeitet.
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Quellen:
Andreae, S., Anton, W., Bartoszek, G., & Bayer, N. (2016). Altenpflege (I. Köther, Hrsg.; [4. Auflage], 1. zu den Inhalten des PSGII aktualisierter Nachdruck). Georg Thieme Verlag.
Aubry, E., Friedli, N., Schuetz, P., & Stanga, Z. (2018). Refeeding syndrome in the frail elderly population: Prevention, diagnosis and management. Clinical and Experimental Gastroenterology, Volume 11, 255–264.
Eidgenössisches Departement des Innern EDI, & Eidgenössische Ernährungskommission EEK. (2018). Ernährung im Alter.
Nguyen, P., Schlögl, H., Selig, L., & Baerwald, C. (2021). Refeeding-Syndrom: Pathophysiologie, Therapie und welche rheumatologischen Patienten besonders gefährdet sind. Zeitschrift für Rheumatologie, 80(3), 263–269.
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