Krankenpfleger im Spital

Ich bin 28, männlich und arbeite in der Pflege. Nichts Aussergewöhnliches. Oder doch? Was in Zeiten der Gleichberechtigung normal sein sollte, ist in der Pflege noch immer speziell. Erfahren Sie mehr darüber, was es heisst, als Mann in einem Pflegeberuf zu arbeiten.

Als ich mich beruflich neu orientiert habe, überlegte ich lange, in welchem Arbeitsfeld ich gerne tätig wäre. Von einer Kollegin hatte ich erfahren, dass die Ausbildung zum diplomierten Pflegefachmann HF auch als Quereinsteiger möglich ist. Nach intensiver Auseinandersetzung mit dem Berufsbild habe ich festgestellt, dass diese Tätigkeit meinen Vorstellungen entspricht.

Schon immer habe ich gerne Menschen in schwierigen Lebenssituationen unterstützt. So habe ich mich vor fünf Jahren dazu entschlossen die Ausbildung zum Pflegefachmann zu machen. Eine Entscheidung, die ich bis heute nie bereut habe.

Männer – eine Rarität in der Pflege

Begonnen habe ich mein Studium 2016 im Careum Bildungszentrum in Zürich. Zuerst war ich ein halbes Jahr lang in der Schule. Ernüchternd stellte ich fest, dass im ganzen Bildungsgang mit knapp 100 Studierenden neben mir lediglich drei Männer die Ausbildung an der Höheren Fachschule Pflege gestartet hatten. Ich hatte nicht erwartet, dass die Geschlechter im Ausbildungsgang ausgeglichen sein würden. Aber, dass die Frauen so in der Überzahl sein würden, damit hatte ich nicht gerechnet.

Nach dem lehrreichen Schulsemester folgte nach einem halben Jahr das erste Praktikum im Spital. Dort war die Diskrepanz zwischen Frauen und Männern etwas weniger ausgeprägt, jedoch nach wie vor augenfällig.

Es gibt Arbeitsbereiche im Spital, wo der Männeranteil höher ist. Dies sind jedoch meist spezialisierte Bereiche wie die Intensiv-, Notfall- oder Anästhesiepflege. Erzählungen meiner Schulkolleginnen und Schulkollegen haben mir bestätigt, dass auch bei ihren Arbeitgebenden nur etwa durchschnittlich 15 Prozent männliche Pflegepersonen arbeiten. Ich habe mich erneut gefragt, weshalb so wenig Männer in der Pflege tätig sind. Warum ist der Pflegeberuf offensichtlich für Männer so wenig attraktiv?

Alte Wertevorstellungen

Ein Grund hierfür könnte das gesellschaftlich verankerte Geschlechterbild sein. Da die meisten Pflegefachpersonen Frauen sind, zögern vermutlich viele Männer, diesen Beruf zu erlernen. Wird in der Gesellschaft von der Pflege gesprochen, so haben viele schnell das Bild der Krankenschwester vor Augen. Viele verbinden Pflege mit Frauen: So pflegen in vielen Familien häufig die Frauen ihre Eltern, Grosseltern oder Schwiegereltern.

Dass der Pflegeberuf ein Frauenberuf ist, hat auch historische Gründe. Die erste Reaktion meines Vaters hat mir dieses gesellschaftliche Denken verdeutlicht. Nachdem ich ihm mitgeteilt hatte, dass ich die Ausbildung zum Pflegefachmann starte, fragte er des besseren Verständnis wegen nach: «Also, wirst du jetzt Krankenschwester?» Diese Bemerkung war nicht böse gemeint. Und ich genoss während der gesamten Ausbildung seine volle Unterstützung. Doch mir ist diese Aussage in Erinnerung geblieben. Solche Reaktionen sind keine Seltenheit. Es ist nach wie vor speziell, als Mann in der Pflege tätig zu sein.

Krankenpfleger mit Ärztin

Eine männliche Pflegefachkraft tauscht sich mit einer Arbeitskollegin aus. Bild: depositphotos

Als Mann in der Pflege

Eine ausgeglichene Teamzusammensetzung zwischen Frauen und Männern fördert die Zusammenarbeit (Zhang & Liu, 2016). Als Pflegefachmann bekam ich von meinen weiblichen Arbeitskolleginnen schon einige Male solche Rückmeldungen. Sie würden es schätzen, Männer im Team zu haben. Dies bringe eine gewisse Ruhe und Ausgeglichenheit.

Die Arbeit in der Pflege ist oft körperlich anstrengend. Werden zum Beispiel körperlich eingeschränkte Patientinnen und Patienten mobilisiert, wird es teamintern sehr geschätzt, wenn als Mann tatkräftig mitgeholfen wird. Anfänglich habe ich mir auch viele Gedanken darüber gemacht, wie es wohl für weibliche Patientinnen sein muss, wenn sie plötzlich pflegerische Unterstützung von einem Mann bekommen. Ich habe dann festgestellt, dass ich mir zu viele Gedanken darüber gemacht habe. Die meisten Patientinnen und Patienten sind einfach froh, wenn man ihnen hilft. Da spielt das Geschlecht der Pflegenden eine untergeordnete Rolle. Ausnahmen gibt es. Diese sind meist kulturell bedingt. Diese Ausnahmen gibt es aber umgekehrt auch: Männer schätzen in bestimmten Situationen die Anwesenheit eines männlichen Pflegenden.

Der Alltag in der Pflege hat mir aufgezeigt, dass es nur Vorteile gibt, wenn die Geschlechterverteilung ausgeglichen ist. Grundsätzlich sollte das Geschlecht in der Pflege keine grosse Rolle spielen. Viel mehr sind Leidenschaft für und im Beruf sowie Professionalität wichtig.

Das Jahr 2020 – Corona

Die Pandemie hat eindrucksvoll aufgezeigt, wie systemrelevant der Pflegeberuf ist. Noch nie war die Pflege medial so vertreten. Diese Präsenz sollte genutzt werden. Gemäss Versorgungsbericht der Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK) sowie OdASanté, der nationalen Dachorganisation der Arbeitswelt Gesundheit, benötigt die Schweiz bis ins Jahr 2030 zusätzlich 65 000 Pflegende. Bei den diplomierten Pflegefachpersonen ist die Situation besonders gravierend. Aktuell wird schweizweit nicht einmal die Hälfte des prognostizierten Bedarfs ausgebildet.

Es ist daher naheliegend, dass die Pflege auch auf Männer angewiesen ist. Gemäss der Berner Fachhochschule waren im Jahr 2016 in Spitälern und Spezialkliniken von 100 Pflegefachpersonen lediglich 14 Männer. Diese Verteilung zeigt eindrucksvoll auf, dass Männer in einem Pflegeberuf selten sind. Hier herrscht Handlungsbedarf.

Akademisierung in der Pflege

Die medizinische Entwicklung schreitet unaufhörlich voran. Menschen werden immer älter. Die chronischen Erkrankungen nehmen zu. Das bringt neue Herausforderungen für Pflegende mit sich. Pflegefachleute sehnen sich nach mehr Kompetenzen, nach mehr Entscheidungsfreiheiten. Dafür wird hochqualifiziertes Pflegepersonal benötigt. Das führt dazu, dass sich die Pflege im Wandel befindet. Seit 2006 kann man beispielsweise Pflege an einer Fachhochschule studieren. Die Möglichkeit, einen Bachelor, Master oder ein Doktorat in der Pflege zu erwerben oder gar mit angewandter Forschung den Beruf weiterzuentwickeln, macht den Beruf attraktiver. Hoffentlich auch für Männer.

Die vielfältigen Weiterbildungsmöglichkeiten waren beispielsweise auch für mich einer der Gründe, die Ausbildung zum Pflegefachmann zu beginnen. Im Moment absolviere ich ein Studium im Bachelor of Science in Nursing an der Careum Hochschule Gesundheit.

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Was bringt die Zukunft?

In Zeiten der Gleichberechtigung sollte es normal sein, dass man als Mann in der Pflege arbeitet. Ich wünsche mir, dass in der Gesellschaft mehr Werbung für den Pflegeberuf gemacht wird. Werbung sollte gezielt junge Männer ansprechen und dazu motivieren, den Pflegeberuf zu erlernen. Die Vielfältigkeit und Weiterbildungsmöglichkeiten dieses Berufs sind vielen Männern vermutlich nicht bekannt. Hier wäre Aufklärung von Nöten.

Der Pflegeberuf wird auch in Zukunft ein krisensicherer Beruf sein, was definitiv zur Attraktivität beiträgt. Tendenziell wurden in den letzten Jahren mehr Männer in der Pflege ausgebildet. Diese Entwicklung verdeutlicht, dass wir uns auf dem richtigen Weg befinden. Aber der Weg zum Ziel ist noch lang.

*Dieser Beitrag entstand im Kurs «Schreibkompetenz» während des Studiums zum Bachelor of Science FH in Nursing an der Careum Hochschule Gesundheit. Die Teilnehmenden wählten ein Thema, mit dem sie in der Regel in ihrem Berufsalltag in Berührung kommen. Die besten Beiträge wurden ausgewählt und für den Blog überarbeitet.

Lesetipp

Meisel, S., & Truninger, E. (Hrsg.). (2022). Auf weiblichem Terrain: Pflegefachmänner im Porträt. Hogrefe.

Mehr Informationen zum Buch

Literatur

Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen- und direktoren, GDK – GDK – CDS. https://www.gdk-cds.ch/de/

Zhang, W., & Liu, Y.-L. (2016). Demonstration of caring by males in clinical practice: A literature review. International Journal of Nursing Sciences, 3(3), 323–327. Abstract

Diskutieren Sie mit!

  • Was meinen Sie, weshalb arbeiten so wenig Männer in der Pflege?
  • Was könnte unterstützend wirken, um mehr Männer für den Pflegeberuf zu gewinnen?
  • Was haben Sie für Erfahrungen mit männlichem Pflegepersonal gemacht?

Kommentare

  • Christian Braunschweiger

    03.02.2022

    Sehr geehrter Herr Arnold

    Ich bin/war selber einer der 14/15 % der Männer im Pflegeberuf. Ich habe ähnliche Erfahrungen wie sie gesammelt, als ich 1999 meine Ausbildung, damals noch DN2 startete. Ich war die ganzen 4 Jahre der einzige Mann in der Klasse. Was mich aber nie gestört hat. Bei der Stellensuche bemerkte ich die Vorteile. Es wurde fast immer gesagt, dass ich einen Vorteil hätte, da ich ein Mann wäre, da im Team zwecks Ausgleich ein männlicher Bewerber der Vorzug gegeben würde. Die Gründe waren auch dieselben, dass es Ruhe und Ausgeglichenheit ins Team bringen würde. Natürlich hatte ich noch andere Vorzüge, fachlicher Natur ;-)
    Wieso Männer nicht in der Pflege sind? Es fängt ja schon bei den Begrifflichkeiten an, für die männliche Form der Krankenschwester gibt es im englischen nur einen Behelf indem vor Nurse (Krankenschwester) noch ein "Male" vorangestellt wird: Male Nurse (Männliche Krankenschwester). Jetzt im Deutschen mit dem Begriff Pflegefach.... hat sich das Problem gelöst. Ich wurde häufig auch scherzenshalber gefragt, ob ich denn ein Krankenbruder sei. Ich glaube dennoch, dass der Beruf an sich mit den Skills eher weiblich ist. Die innere Einstellung die "mann" mitbringen sollte sind doch eher weiblicher Natur wie Fürsorge, soziales Engagement...ich denke der Beruf wird frauendominiert bleiben, was ich absolut in Ordnung finde. Es sollen die Skills passen egal ob Mann oder Frau, ja keine Männerquote. Jeder, der den Beruf für sich vorstellen kann und mit Herz dabei ist, soll ihn ausüben. Ich bin nun in der Bildung und denke gerne an meine Zeit zurück in der Pflege, es war eine schöne Zeit wo ich mich noch gerne in meinem Freundeskreis (85/86% weiblich) gerne daran zurück erinnere.

    Mit freundlichen Grüssen
    C. Braunschweiger

    • Sascha Arnold

      04.02.2022

      Guten Tag Herr Braunschweiger Vielen Dank für Ihren spannenden Kommentar! Ich erhoffe mir, dass durch die Emanzipation der Pflege und das gesellschaftliche Umdenken zukünftig mehr Männer in dem Beruf glücklich werden. Gerade jetzt, wo durch Annahme der Pflegeinitiative viel Geld in Bildung investiert wird, sollten auch Männer mehr in den Fokus der Rekrutierung geraten. Ich bin davon überzeugt, dass es potenziell viele geeignete Männer für den Pflegeberuf geben würde. Freundliche Grüsse Sascha Arnold

  • Slavi Marjanovic

    04.02.2022

    Ein ehemaliger Freund von mir. auch ein Pflegefachmann, pflegte immer zu sagen, dass der Pflegeberuf von den barmherzigen Samaritern erfunden wurde. Also ursprünglich waren es Männer, die professionell geholfen haben. Später erst wurden die Frauen in den Beruf eingeführt, als Kloster entstanden mit Nonnen... Ob die Geschichte stimmt, weiss ich nicht. Aber eben Fürsorge und soziales Engagement sind meiner Meinung etwas Menschliches und nicht unbedingt einem Gender zuzuordnen.

    • Sascha Arnold

      04.02.2022

      Guten Abend

      Ich teile Ihre Meinung, dass diese Eigenschaften sowohl Frauen & Männern haben können.

      Der Ursprung des Pflegeberufs scheint etwas unklar.

      Für mich ist jedoch klar, dass die Pflege mehr Männer benötigt…

    • Edita Truninger

      06.02.2022

      Zur Geschichte der Pflege hat Margrit Wyder in unserem Buch «Auf weiblichem Terrain» einen spannenden und lehrreichen Beitrag geschrieben. Tatsächlich hat der moderne Spital seine Wurzeln im Mittelalter. Manche Klöster richteten Hospitäler ein, die von Mönchen oder Nonnen betrieben wurden. Erst im 19. Jahrhundert wurden konfessionslose Schulen als neue Ausbildungsmöglichkeiten geschaffen. Während die private Pflege meist von Frauen erbracht wurde, brauchte es in den öffentlichen Spitälern Pflegende beider Geschlechter – denn auch die Patientinnen und Patienten wurden geschlechtergetrennt untergebracht und behandelt. Disziplin und Unterordnung der Pflegekräfte war oberstes Gebot, auf die Einhaltung der Hygieneregeln wurde streng geachtet. In den von Grossbritannien beeinflussten Ländern entwarf Florence Nightingale hingegen schon um 1850 ein anderes Berufsbild. Sie gab der Pflege einen eigenen Stellenwert neben der Arbeit der Ärzte. Nightingale schrieb sogar: «Krankenpflege ist eine Kunst, und wenn sie zu einer Kunst gemacht werden soll, bedarf sie extensiver Hingabe und genauso harter Vorbereitung wie die Arbeit jedes Malers oder Bildhauers.» (Bohn 2020, S. 151) Dieser vom Geschlecht unabhängige Vergleich mit dem Gestalten eines Kunstwerks setzte sich in den Pflegeberufen jedoch nicht durch.

      Auf weiblichem Terrain – Pflegefachmänner im Porträt Hogrefe Verlag, 2021

      • Sascha Arnold

        10.02.2022

        Sehr geehrte Frau Truninger

        Vielen Dank für Ihren spannenden Kommentar. Es freut mich sehr, dass mein Beitrag von Ihnen als Expertin in diesem Bereich gelesen wurde. Glauben Sie das zukünftig mehr Männer in der Pflege arbeiten werden?

        Freundliche Grüsse Sascha Arnold

        • Edita Truninger

          14.02.2022

          Lieber Herr Arnold

          Die Beliebtheit eines Berufes ist immer auch an gesellschaftliche Normen und Werte geknüpft. Wurde der Arztberuf früher fast ausschliesslich von Männern ausgeübt, haben die Frauen im Zuge der Gleichstellung der Geschlechter mächtig aufgeholt: Inzwischen schliessen mehr Frauen als Männer das Medizinstudium ab. Auch in den meisten Schweizer Spitälern sind die Ärztinnen in der Mehrheit. (ca. 60 zu 40) Im Pflegeberuf hat sich das Geschlechterverhältnis nicht geändert – der Anteil Männer stagniert seit Jahren bei rund 15 Prozent.

          Ich bin der Meinung, dass es an Ausbildungsstätten und in der Berufswahl spezifische Anstrengung braucht, um (jungen) Männern die Attraktivität dieses spannenden Berufs aufzuzeigen. Darüber hinaus benötigen Frauen UND Männer bessere Arbeitsbedingungen, damit sie dem Beruf die Treue halten.

          Der Pflegeberuf hat viele Facetten und die Entwicklungsmöglichkeiten sind enorm. Es gilt, diese im öffentlichen Bewusstsein zu verankern. Gute Vorbilder spielen dabei eine zentrale Rolle – Sie, lieber Herr Arnold, leisten also einen wichtigen Beitrag für mehr Männer in der Pflege. Ich bin überzeugt, dass diese Anstrengungen eines Tages Früchte tragen werden.

          Freundliche Grüsse
          Edita Truninger

  • Sascha Arnold

    15.02.2022

    Liebe Frau Truninger

    Ich glaube zu den von Ihnen erwähnten Aspekten benötigen (junge) Männer wohl auch Vorbilder und Identifikationsfiguren um den Schritt in die Pflege zu gehen.

    Das mein Blogbeitrag so viel Aufmerksamkeit erhält, hätte ich nicht erwartet. Darüber freue ich mich sehr.

    Freundliche Grüsse
    Sascha Arnold