
KI im Klassenzimmer: Hype oder echter Mehrwert? Marion Leu, Leiterin des Careum Verlags, gibt Einblick in eine Bildungswelt im Wandel und erklärt, wie neue Tools das Lernen verändern.
Die digitale Transformation stellt die Bildungswelt auf den Kopf. Künstliche Intelligenz (KI) hält zunehmend Einzug ins Klassenzimmer – und verändert, wo, wann und wie wir lernen.
Wie KI den Bildungsalltag verändert: Chancen, Grenzen und neue Rollen
Der Careum Verlag und Edubase setzen mit dem KI-Lerncoach unter der Dachmarke Sphere und dem Edubot auf innovative Tools, die Lernende gezielt unterstützen. Doch was bedeutet das konkret für Lernende und Lehrpersonen? Wir haben mit Marion Leu, Leiterin Careum Verlag und ehemalige CEO von Edubase, über Chancen, Grenzen und die Rolle von KI im Bildungsalltag gesprochen.
Marion, wie stellst du dir das Lernen der Zukunft vor?
Marion Leu: «Ich denke, dass alles individueller und persönlicher wird. Also, dass ich nicht nur entscheiden kann, wo und wann ich lernen will, sondern auch in welcher Form und mit welchen Tools.»
Inwiefern verändert KI das Lernen? Was sind die grössten Chancen?
«Lernen wird dadurch spannender und vielfältiger. KI ermöglicht auch, dass ich individueller zu Inhalten komme – genau so, dass es für mich am besten passt. Ein grosser Vorteil ist zudem, dass ich viel schneller zu Informationen gelange und Zugang zu viel mehr Wissen habe – was aber nicht heisst, dass ich schneller einen Inhalt korrekt gelernt habe.»
Und wo liegen die Herausforderungen?
«Eine grosse Herausforderung ist sicher, die Fülle an Informationen zu filtern und zu unterscheiden, was qualitativ richtig und wichtig ist. Und es braucht entsprechende Kompetenzen. Ich muss wissen, wie man KI beim Lernen oder auch beim Vermitteln von Inhalten richtig einsetzen kann. Nur weil ich mit KI lerne, heisst es nicht, dass ich es auch verstanden habe.»
Mit Künstlicher Intelligenz wird Lernen spannender und vielfältiger.
Der Careum Verlag und Edubase setzen auf KI-gestützte Lernbegleitung. Der Lerncoach vom Verlag steht kurz vor der Einführung, während der Edubot bereits implementiert ist. Wie kommen diese Tools an?
«Die Lernenden nutzen sie häufig, gerne und fast selbstverständlich. Auch bei den Lehrpersonen kommen die Tools zum Einsatz, um den Unterricht anders zu gestalten und vorzubereiten, aber auch in der Nachbearbeitung oder für die Prüfungsvorbereitung. Beide sehen den Mehrwert. Feedbacks von Lernenden lauteten, dass sie besser lernen und ihren Lernerfolg auch höher einschätzen.»
Funktioniert denn schon alles oder gibt es noch Schwierigkeiten?
«Ein Problem ist sicher, dass wir noch technische Bugs und Fehler in den Tools haben. Das ist für Lernende und Lehrpersonen natürlich auch nicht immer einfach zu erkennen. Aber das ist letztlich nicht anders als zum Beispiel bei ChatGPT. Der grosse Vorteil ist, dass es von Tag zu Tag neue Möglichkeiten gibt – und wir diese nun gleich in unsere Tools einbinden können.»
Auch KI macht manchmal Fehler. Wie kann sichergestellt werden, dass die KI-Tools keine falschen Informationen liefern?
«Das geht eigentlich ganz gut, wenn man die Inhalte einschränkt. So wie wir es zum Beispiel mit unserem KI-Lerncoach beim Careum Verlag machen. Wir spielen nur unsere eigenen Inhalte ein, die in der Regel korrekt sind. Dann bleibt alles in unserem Datencontainer drin und wir können es überwachen.»
Die KI erkennt noch nicht, was mein Hirn jeweils mit einer Information macht.
Gibt es niemanden, der die digitalen Tools verflucht und lieber zum analogen Unterricht zurückkehren möchte?
«Natürlich gibt es dies auch. Vielleicht nicht ganz so extrem. Aber der Punkt ist, dass die digitalen Tools ja freiwillig sind. Wir zwingen letztlich niemanden, sie zu nutzen. Sie sind einfach eine Ergänzung und bieten einen Mehrwert.»
Glaubst du denn, dass KI-gestützte Lösungen künftig zum festen Bestandteil im Bildungsbereich gehören?
«Ja, sie werden nicht einfach wieder verschwinden. Die Frage ist nur, in welcher Art sie in welchem Bildungsbereich vorkommen. Ich glaube nicht, dass KI-Lösungen in jedem Bereich Sinn machen. Aber überall dort, wo es einen Mehrwert gibt oder man besser damit lernen kann, wird es sicher ein Thema sein.»
Wo liegen die Grenzen von KI im Lernprozess?
«KI erkennt noch nicht, was mein Hirn jeweils mit einer Information macht. Wenn ich mir zum Beispiel den Blutkreislauf von einer KI erklären lasse und danach ein paar Fragen dazu per Zufall richtig beantworte, weiss die KI ja trotzdem noch nicht, was ich jetzt wirklich begriffen und gelernt habe. Da braucht es Lehrpersonen, die diese Validierung vornehmen und Lernende auch anleiten, wann sie KI wie brauchen können.»
KI wird das Lernen nicht ablösen – aber es kann es verbessern.
Wie wird sich die Rolle der Lehrpersonen durch den Einsatz von KI verändern?
«Nicht in eine völlig andere Richtung, als es eh schon geht. Die neuen Bildungspläne sehen vor, dass Lernende niveaugerecht und persönlich abgeholt werden. Und da ist KI halt eine grosse Unterstützung. Aber es braucht natürlich auch viele Kompetenzen, um zu wissen, wie man KI sinnvoll einsetzen kann.»
Sind denn schon alle Lehrpersonen bereit dafür?
«Ein Teil ist sicher bereit, andere brauchen noch Unterstützung. Viele sind momentan am Ausprobieren, was es alles gibt. Es gibt nicht nur den einen Weg oder das eine Tool. Da muss jeder für sich herausfinden, was das beste Tool für den Unterricht – aber auch für die Lernenden oder die Bildungsinstitution – ist.»
Und wie sieht es mit Autor:innen aus? Sind sie bald überflüssig, weil Lehrmittel in Zukunft von KI erstellt werden?
«Wir haben in ersten Tests schon Inhalte von KI erstellen lassen. Diese sind aus unserer Sicht aber noch nicht zufriedenstellend. Ich glaube nicht an einen 1:1-Ersatz, sondern dass KI in Ergänzung genutzt wird.»
KI als Chance, nicht als Ersatz: Wäre dies ein passendes Fazit für dich?
«Ja total. KI wird das Lernen nicht ablösen – aber es kann es verbessern. Der Schlüssel liegt nicht in der Technologie selbst, sondern im kompetenten Umgang damit.»
Zwei KI-Tools, ein Ziel: besser lernen
Der Careum Verlag ist der erste in der Schweiz, der unter dem Dach der Marke Sphere einen Ki-basierten Lerncoach entwickelt hat, der individuell auf die Lernenden und ihr Lernverhalten zugeschnitten ist. 2024 wurde der digitale Lerncoach als bahnbrechende Innovation in der Berufsbildung mit dem Enterprize ausgezeichnet. Ab dem Schuljahr 2025/26 wird der Lerncoach mit dem Namen «Navira» kostenlos alle Lernenden im FaBe-Lehrmittel begleiten – ein Novum in der Schweizer Berufsbildung. Danach soll der Lerncoach sukzessive in weiteren Lehrmitteln integriert werden.
Der Edubot ist eine KI-Integration im Edubase Reader, die gezielte Suchanfragen erlaubt und zuverlässige Antworten aus den E-Books liefert. Diese Antworten werden mit einem Quelllink zur entsprechenden Lehrmittelseite ergänzt. Nutzende können so mit einem Klick den durch die KI erstellten Inhalt auf seine Verlässlichkeit prüfen und sich weiter in das Thema vertiefen.
Diskutieren Sie mit!
- Welche Erfahrungen haben Sie bereits mit Künstlicher Intelligenz im Lern- oder Lehralltag gemacht?
- Wo sehen Sie die grössten Chancen – und wo klare Grenzen – beim Einsatz von KI in der Bildung?
- Was würden Sie sich von KI-gestützten Lernangeboten in der Zukunft wünschen?
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