Gemeinsam wirksam: Interprofessionalität als Chance
Blog
Der Fachkräftemangel und die steigenden Kosten im Gesundheitswesen beschäftigen die Schweiz. Die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Gesundheitsfachpersonen bietet die Möglichkeit, sowohl die Bedürfnisse der Menschen als auch die Anforderungen des Gesundheitssystems besser zu erfüllen.
Welche Erfahrungen machen Ärzt:innen mit dem Fachkräftemangel? Und hat die interprofessionelle Zusammenarbeit das Potenzial zum Gamechanger? Fabian Kraxner, engagierter Psychiater, gibt Auskunft und beleuchtet spezifische Aspekte, die in dieser Diskussion zu beachten sind.
Zeit zum Handeln
«Ich mache mir wirklich Sorgen um die Gesundheit des Gesundheitssystems», so Kraxner. Ein Brennpunkt seien Bürokratie und zunehmende Regulationen im Gesundheitswesen. Ärztinnen und Ärzte haben folglich immer weniger Zeit für direkte Care-Tätigkeit. Das frustriert. Für Fabian Kraxner ist dies ein zentraler Grund, warum Ärztinnen und Ärzte den Beruf trotz langjähriger, intensiver Ausbildung frühzeitig verlassen. Er verweist auf einen 2021 veröffentlichten Obsan-Bericht, wonach besorgniserregende 30 % der Ärztinnen und Ärzte der direkten Patientenversorgung den Rücken kehren. Fabian Kraxner ist der Überzeugung, nur die Studienplätze zu erhöhen, ist keine nachhaltige Lösung. Es braucht eine brauchbare Datengrundlage zu den Hintergründen frühzeitiger Berufsaustritte, um gezielte Massnahmen ergreifen zu können.
Digitalisieren und zusammenarbeiten
Auf die Frage nach möglichen Lösungsansätzen, die Situation im Gesundheitswesen zu verbessern, verweist Fabian Kraxner auf bereits vorhandene, digitale Möglichkeiten. Derzeit werde das Potenzial künstlicher Intelligenz kaum genutzt. Insbesondere administrative, repetitive Aufgaben könnten durch digitale Tools zumindest teilweise übernommen werden und so Raum schaffen für direkten Patient:innenkontakt. Fabian Kraxner ist überzeugt, dass der direkte Kontakt mit Patienten nicht nur die berufliche Identifikation fördert, sondern auch zu besseren Behandlungsergebnissen führt.
Die interprofessionelle Zusammenarbeit bietet die Möglichkeit, sowohl den Anforderungen des Systems als auch den Bedürfnissen der Menschen gerecht zu werden. Fabian Kraxner verweist auf die Kompetenzen der Advanced Practice Nurses und gleichzeitig auf die sich stark verändernden ambulanten Versorgungsstrukturen. Das Ziel müsse sein, Patient:innen dort zu versorgen, wo sie leben. Das sogenannte «Point of Care»- Modell – sprich die Versorgung im ambulanten Bereich – lebe davon, dass verschiedene Gesundheitsfachpersonen vermehrt zusammenarbeiten. Advanced Practice Nurses seien prädestiniert, Hausärzt:innen im Rahmen von Abklärungs- und Beratungstätigkeiten, aber auch im Bereich psychosozialer Aufgaben gezielt ergänzen zu können. Fabian Kraxner sieht darin eine adäquate Möglichkeit, Hausärztinnen und Hausärzte zu entlasten und gleichzeitig die integrierte Versorgung zu stärken. Respektive dem Bedürfnis der Gesellschaft zu entsprechen und eine Gesundheitsversorgung in primär ambulanten Strukturen zu ermöglichen.
Fazit
Das Gesundheitswesen steht vor grossen Herausforderungen. Fachkräfte werden überall dringend benötigt. Digitale Lösungen könnten den Anteil repetitiver Aufgaben reduzieren und dem Fachkräftemangel entgegenwirken. Die interprofessionelle Zusammenarbeit stellt eine wertvolle Möglichkeit dar, sowohl den Anforderungen des Systems als auch den Bedürfnissen der Menschen gerecht zu werden.
Fabian Kraxner - Facharzt und Lokalpolitiker
Fabian Kraxner, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie sowie Geschäftsleitungsmitglied im Verband der Assistenz- und Oberärzt*innen Zürich (VSAO), engagiert sich als Gemeinderat für eine sach-, lösungs- und menschenorientierte Politik.
Seine fünf zentralen Programmpunkte für eine bezahlbare Gesundheitsversorgung sind:
- Gesunde Entwicklung
- Gesundheit statt Bürokratie
- Gesundheitsberufe stärken
- Gelungenes EPD mit smart Restart
- Gleichgewicht zwischen Mensch und Natur als Grundlage für Planetary Health und Nachhaltigkeit
Sein Amt als Gemeinderat (Vorsteher Soziales & Integration) trennt er bewusst von seinem Engagement als Arzt. Das Interview spiegelt seine Perspektive als Arzt wider und unterstreicht zugleich seine enge Verbindung zur Gesundheitspolitik.
(Portrait F. Kraxner (Quelle: Kraxner, 2024)
«Dieses Interview entstand im Rahmen des Studiengangs Master of Science FH in Nursing (MScN) an der Careum Hochschule Gesundheit. Die Aufgabenstellung war, ein Interview mit einer:m Politiker:in zu führen.»
Quellenverzeichnis
Bundesamt für Gesundheit [BAG]. (2024). Umsetzung Pflegeinitiative (Artikel 117b BV). BAG.
Bodenheimer, T. & Sinsky, C. (2014). From Triple to Quadruple Aim: Care of the Patient Re-quires Care of the Provider. The Annals of Family Medicine, 12(6), 573–576.
Ingelheim, B. (2020). Quadruple Aim. Strategies for Quality Care. Strategiesforqualitycare.
Khalili, H., Thistlethwaite, J., El-Awaisi, A., Pfeifle, A., Gilbert, J., Lising, D., MacMillan, K., Maxwell, B., Grymonpre, R., Rodrigues, F., Snyman, S. & Xyrichis, A. (2019). Guidance on Global Interprofessional Education and Collaborative Practice Research: Discussion Paper. A joint publication by InterprofessionalResearch.Global & Interpro-fessional.Global.
Kraxner, F. (2024). Fabian Kraxner. Mit Herz und Verstand für die Schweiz. Grunliberale.
Lobsiger, M. & Liechti, D. (2021). Berufsaustritte und Bestand von Gesundheitspersonal in der Schweiz. Eine Analyse auf Basis der Strukturerhebungen 2016–2018 (Obsan Bericht 01/2021). Neuchâtel: Schweizerisches Gesundheitsobservatorium.
Ulrich, G., Amstad, H., Glardon, O. & Kaap-Fröhlich, S. (2020). Careum Working Paper – «Interprofessionelle Ausbildung im Schweizer Gesundheitssystem: Situationsanalyse, Perspektiven und Roadmap.» Careum.
van Moorsel, L. (2024). Assistenzärzte unter Druck. So passieren Fehler im Spital. SRF.
Diskutieren Sie mit!
• Wie sind Ihre Erfahrungen mit interprofessioneller Zusammenarbeit?
• Wo ist anzusetzen, um Qualität, Kosten und Bedürfnissen gleichermassen gerecht zu werden?
Kommentare