
Der Mangel an diplomierten Pflegefachpersonen ist längst Realität und trifft die Organisationen der Langzeitpflege wie Pflegeheime oder Spitex am härtesten. Auf der Grundlage ihrer praktischen Erfahrungen gibt die Autorin Empfehlungen, wie Pflegekräfte länger im Beruf gehalten werden können.
Der Fachkräftemangel existiert insbesondere in der ambulanten und stationären Langzeitpflege. Es hat sich gezeigt, dass ausgebildete Pflegefachpersonen, wenn sie im Beruf bleiben, in den ersten sechs Jahren nach Abschluss vor allem in den Akutbereich abwandern (Grønning et al., n.d.). Dies bedeutet mehr Verantwortung und Herausforderungen für qualifizierte Fachkräfte in der Langzeitpflege. Nebst Führungs- und Fachkompetenzen ist auch zunehmend Support von Personal mit Migrationshintergrund gefragt, was sprachliche und kulturelle Herausforderungen mit sich bringen kann. Diese Erfahrung hat die Autorin sowohl im Heim als auch bei der Spitex gemacht.
Fehlende Fachkräfte in der Langzeitpflege
Bei medizinischen Komplikationen ist in Langzeitpflegeinstitutionen oft nur punktuell oder gar kein ärztlicher Dienst vor Ort. Zuerst wird die Pflegefachperson angefragt, die gerade Dienst hat. Hausarztpraxen zu erreichen, ist oft schwierig. Um zu beurteilen, ob eine Notfalleinweisung notwendig ist, ist Fachwissen erforderlich. Wie also können Langzeitinstitutionen Fachpersonal gewinnen und halten? Gesundheitsförderung Schweiz hat Ansätze zur Gestaltung attraktiver Arbeitsbedingungen für den Langzeitpflegebereich ausgearbeitet (Stocker et al., 2020). Wichtige Aspekte davon werden hier ausgeführt.
Arbeitsbedingungen attraktiver gestalten
Um das Fachpersonal im Beruf zu halten, ist eine gute Unternehmenskultur wichtig. Ein gutes Arbeitsklima ist unerlässlich. Ein entsprechender Führungs- und Kommunikationsstil in einem Betrieb ist entscheidend, wie und ob sich Mitarbeitende mit der Institution identifizieren können. Flache Hierarchien und eine partizipative Führungskultur (z.B. Dienstpläne vom Team erstellen lassen) kommen bei vielen Mitarbeitenden gut an. Sie fühlen sich ernst genommen, können mitgestalten. Ein verbindlicher und gerechter Dienstplan trägt zur Verbesserung der work-life-balance bei. Ich schreibe mich zum Beispiel als fallführende Pflegefachfrau bei der Spitex selbst in meinen Plan ein. Als Studentin und Familienfrau kann ich so meist an fixen Tagen arbeiten und die unterschiedlichen Anforderungen unter einen Hut bringen.
Das Einspringen sollte eine Ausnahme sein und bei kurzfristigen Einsätzen finanziell angemessen vergütet werden. Um Mitarbeiter:innen aus anderen Kulturkreisen möglichst optimal zu integrieren, sind Sprach- und Kulturkurse eine Idee; diese helfen bei der Kommunikation mit den Klientinnen und Klienten. Auch können so Pflegefachpersonen von zusätzlichem Aufwand entlastet werden.
Coachings und Supervisionen fördern die Fachkompetenz und Reflexion. Schwierigkeiten und Konflikte können so rechtzeitig angegangen werden. Auch eine angemessene Fehlerkultur ist wichtig, um ein angstfreies Arbeitsklima zu schaffen. Schulungsangebote zu Resilienz oder Coaching, Achtsamkeitskurse oder Mediation bei Teamkonflikten sind Angebote, die sich bewährt haben. Pflege- und Betreuungsqualität ist wichtig: Die Mitarbeitenden an der Basis müssen einbezogen werden. Ein theoretisch übergestülptes Konstrukt wird sich nicht etablieren.
Um das Fachpersonal im Beruf zu halten, ist eine gute Unternehmenskultur wichtig. Ein gutes Arbeitsklima ist oft ausschlaggebend, um Angestellte zu behalten.
Auch ist es wichtig, der physischen Belastung in der Geriatrie erhöhte Aufmerksamkeit zu widmen. Alle Mitarbeitenden sollten im Bereich Kinästhetik geschult werden und bei Schwierigkeiten Support erhalten. Rückenschonendes Arbeiten muss regelmässig thematisiert werden. Schweizweit werden die Kosten für vermeidbare muskuloskelettale, arbeitsbedingte Beschwerden auf 0.97 Milliarden CHF geschätzt (Läubli & Müller).
Ein sinnvoller Skill-Grade-Mix und Kompetenzerweiterungen kann Talente fördern und Pflegefachpersonen entlasten. In unserer Spitexorganisation können auch Pflegehilfen Einsatzpläne machen und individuell in bestimmten Bereichen geschult werden. Durch die Kombination von Büro- und Pflegejob sind diese Mitarbeiter:innen motivierter. Nicht zuletzt sollen regelmässige Befragungen der Mitarbeitenden stattfinden und wenn nötig, entsprechende Schritte eingeleitet werden. Aus meiner Erfahrung empfiehlt es sich, die Fragen einfach und verständlich zu formulieren, um Missverständnisse zu vermeiden.
Insgesamt sind hohe Fach- und Sozialkompetenzen bei Führungspersonen gefragt: Die Verantwortung gegenüber Mitarbeitenden ist gross. Da Führungspersonen eine Schlüsselfunktion innehaben, ist es von entscheidender Bedeutung, dass sie für ihre Funktion geeignet sind und über ausreichende Kompetenzen verfügen. Erfahren Pflegefachpersonen Wertschätzung und Vertrauen von Vorgesetzten, kann dies wesentlich dazu beitragen, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Wer nur kritisiert wird, fühlt sich nicht wertgeschätzt. Regelmässige Gespräche tragen zur Klärung von Missverständnissen bei.
Zufriedene Mitarbeitende – niedrige Fluktuation
Innovative Firmen oder Institutionen können dem Fachkräftemangel etwas entgegensetzen, auch in der Langzeitpflege. Wer sich ernst genommen fühlt und sein Arbeitsumfeld mitgestalten kann, ist zufriedener an seinem Arbeitsplatz und wechselt nicht so schnell. Die beste Werbung für einen Betrieb ist sein Ruf. Jegliche PR-Aktionen nützen wenig, wenn die Arbeitsbedingungen schlecht sind. Ein angemessenes Gehalt stellt eine wesentliche Form der Wertschätzung dar, das neben anderen Aspekten relevant ist. Um Fachkräfte im Beruf zu halten, müssen kreative Lösungen gesucht werden. Dann kann ein positives Arbeitsumfeld entstehen, das Menschen schützt und stützt.
*Dieser Beitrag entstand im Kurs «Schreibkompetenz» während des Studiums zum Bachelor of Science FH in Nursing an der Careum Hochschule Gesundheit. Die Teilnehmenden wählten ein Thema, mit dem sie in der Regel in ihrem Berufsalltag in Berührung kommen. Die besten Beiträge wurden ausgewählt und für den Blog überarbeitet.
Quellen:
Grønning, M., Hänni, M., & Trede, I. (2022). Mobilität innerhalb eines Berufsfelds: Welche Herausforderungen stellen sich der Berufsentwicklung und Fachkräftesicherung? OBS EHB Trend im Fokus Nr. 10. Zollikofen: Eidgenössische Hochschule für Berufsbildung EHB.
Hehli, S. (2023, August 16). Der Pflegenotstand spitzt sich zu. Was läuft falsch? Ein Streitgespräch. Neue Zürcher Zeitung. https://www.nzz.ch/schweiz/der-pflegenotstand-spitzt-sich-zu-was-laeuft-falsch-ein-streitgespraech-ld.1751503
Läubli, T., & Müller, C. (n.d.). Arbeitsbedingungen und Erkrankungen des Bewegungsapparates. Seco.
Stocker, D., Jäggi, J., Künzi, K., Göbel, S., & Zumstein, N. (2020). Fachkräfte-Erhalt in der Langzeitpflege—Ansätze zur Gestaltung attraktiver Arbeitsbedingungen. Gesundheitsförderung Schweiz.
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