pensionierter Mann

«Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an», heisst es in einem bekannten Schlager. Doch neben der gewonnenen Freiheit im Ruhestand bringt das Alter auch einige Herausforderungen mit sich. Wie können wir diese Phase des Lebens würdevoll gestalten und welche Rolle spielen jüngere Generationen dabei?

Mit dem Eintritt in den Ruhestand beginnt für viele Menschen ein neuer Lebensabschnitt, der Chancen, aber auch besondere Bedürfnisse und Herausforderungen mit sich bringt. Ein würdevolles Altern erfordert nicht nur eine gute gesundheitliche Versorgung und soziale Unterstützung, sondern auch eine Gesellschaft, die den Wert und die Erfahrungen älterer Menschen anerkennt und schätzt. Jüngere Generationen spielen hierbei eine entscheidende Rolle. Durch Engagement, gerade auch im Gesundheits- und Sozialwesen, können sie zu einem Umfeld beitragen, in dem ältere Menschen sich wertgeschätzt und gut aufgehoben fühlen.

Kritische Lebensereignisse begleiten

In der Psychologie sprechen wir häufig von sogenannten kritischen Lebensereignissen als «lebensveränderliche Ereignisse (…), die als Stressoren wirken und eine Anpassungsleistung fordern» (Lexikon der Psychologie, 2000). Hierzu zählen beispielsweise:

  • Geburt eines Geschwisterkindes
  • Trennung der Eltern
  • Eigene Hochzeit
  • Scheidung
  • Verlust des Arbeitsplatzes

Auch Verlusterlebnisse wie beispielsweise der Tod des eigenen Partners oder der eigenen Partnerin, der Eintritt in das Rentenalter, der Einzug ins Pflegeheim, ein Wegfall wichtiger privater Beziehungen oder körperliche Einschränkungen und damit einhergehender Verzicht gelten als kritische Lebensereignisse, die vor allem im Alter häufiger auftreten. Die Anpassungsfähigkeit an solche Ereignisse ist ein wichtiger positiver Einflussfaktor, der in der Resilienzforschung genannt wird. Resilienz bildet somit eine wichtige Grundlage für psychische Gesundheit auch unter ungünstigen Bedingungen.

Die Risiken des Alters

«Das Alter ist nicht trübe, weil darin unsre Freuden, sondern weil unsre Hoffnungen aufhören», so der Schriftsteller Jean Paul (1800, sechste Jobelperiode, 34. Zykel). Die Angst, Hoffnungen und optimistische Perspektiven im Alter zu verlieren, ist nachvollziehbar. Hierbei spielen einige naturgemässe Veränderungen eine Rolle:

  • Erhöhte Anzahl kritischer Lebensereignisse (siehe oben)
  • Verlust an Autonomie
  • Einsamkeit
  • Auseinandersetzung mit der Endlichkeit des eigenen Lebens
  • Angst

Häufig besteht zudem ein vermehrtes Bedürfnis, gewohnte Routinen und Abläufe einzuhalten. Es ist daher nicht verwunderlich, dass der Förderung von Resilienz und Anpassungsfähigkeit wie auch insgesamt der psychischen Gesundheit im Alter eine hohe Bedeutung zukommt, die als interprofessionelle Aufgabe zu verstehen ist. In den alternden westlichen Gesellschaften werden in den nächsten Jahrzehnten auch jene Generationen ein höheres Alter erreichen, die nicht durch Nachkriegserfahrungen und Entbehrungen ein hohes Mass an Anpassungsfähigkeit und Flexibilität erworben haben. 

Der Förderung der psychischen Gesundheit im Alter wird daher eine besondere Bedeutung zukommen. In diesem Zusammenhang gewinnen auch die dafür notwendigen Kompetenzen der Gesundheitsberufe weiter an Bedeutung.

Depressive alte Frau

«Das Alter ist nicht trübe, weil darin unsre Freuden, sondern weil unsre Hoffnungen aufhören» (Jean Paul). Bild: depositphotos.

Anpassungsfähigkeit erhalten

«Kraft und Wohlgestalt sind Vorzüge der Jugend, der des Alters aber ist Blüte der Besonnenheit», wusste bereits Demokrit (Fragment 294). Angesichts des Verlustes der beiden ersteren Tugenden ist eine Fokussierung auf die Stärken des alternden Menschen ein wichtiges Standbein der Resilienz und dadurch auch des psychischen Wohlbefindens. Die häufigsten psychischen Erkrankungen im höheren Lebensalter sind depressive Störungen und demenzielle Syndrome (eMedpedia, o.J.). Neben der psychotherapeutischen und medikamentösen Behandlung dieser Erkrankungen stellt eine Optimierung der psychosozialen Rahmenbedingungen einen essenziellen Faktor dar. Fällt beispielsweise im Alter eine regelmässige Tagesstruktur als stabilisierender Faktor weg, so können sinnstiftende Tätigkeiten ebendiese Struktur aufrechterhalten. Gleichzeitig wird so das Aufrechterhalten eines Gefühls des «Gebrauchtwerdens» gefördert. 

Hier können zum Beispiel Fachkräfte der Gerontologie und Geriatrie durch geeignete Massnahmen und Einbeziehung in die Zusammenarbeit einen wichtigen Beitrag leisten. Der Einbezug älterer, selbstständig lebender Menschen in soziale Strukturen, sei es durch Enkelbetreuung, im Rahmen eines aktiven Vereinslebens oder durch Freiwilligendienste, bringt wiederum für alle Beteiligten die Chance auf fruchtbaren Austausch mit sich.

Altersbedingte Veränderungen kompensieren

Das Alter verändert – körperlich, psychisch und sozial. Dies ist und bleibt eine bisher unabänderliche Tatsache. Kreative neue Möglichkeiten bieten hingegen der zunehmende Einsatz von neuen technischen Methoden und künstlicher Intelligenz. Denkbar ist deren Einsatz beispielsweise:

  • Zur Vermittlung von Diagnosen durch Übersetzen von Arztbriefen in für Laien verständliche Sprache
  • Zum Kompensieren von Sehschwächen durch das Vorlesen von Bildschirminhalten
  • Für eine Aktivierung im häuslichen Umfeld durch interaktive Online-Gedächtnistrainings
  • Zur Unterstützung bei der Alltagsbewältigung durch Erinnerungsfunktionen an Smartphones
  • Zur Förderung von Motivation mittels Anregung zu körperlichen Aktivitäten
  • Für die Förderung von Vernetzung trotz körperlicher Einschränkung mittels Online-Austauschtreffen

Eine Auseinandersetzung mit dem Thema Altern ist aus medizinisch-psychiatrischer, pflegerischer wie auch aus gesellschaftlich-sozialer Hinsicht wünschenswert und gewinnbringend (Riedel-Haller et al., 2012). Nicht zuletzt bietet die Begleitung alternder Menschen auch auf persönlicher Ebene viel Bereicherung. Denn: «Die Jugend ist ein Geschenk der Natur, aber das Alter ist ein Kunstwerk.» (Stanislaw Jerzy Lec, 1909–1966, österreichisch-ungarischer Lyriker und Aphoristiker)

Quellen


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  • Wie schätzen Sie das psychische Wohlbefinden von alten Menschen ein?
  • Welchen Beitrag kann die jüngere Generation leisten, das psychische Wohlbefinden alter Menschen zu erhalten und zu fördern?

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