Mann wird betreut von Tochter

Chronische Krankheiten: Wer braucht welche Unterstützung?

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Neue Familienformen, alternde Bevölkerung, mehr chronisch kranke Menschen, steigende Gesundheitskosten, dezentralisierte Gesundheitssysteme: In Europa stehen betreuende Angehörige, Familien und die Gesundheitsversorgung vor grossen Herausforderungen.

Anstieg chronischer Krankheiten belastet Angehörige und Familien

Die Lebenserwartung der Bevölkerung steigt stetig und damit auch die Zahl chronisch kranker Menschen. Chronische Krankheiten haben physische, psychische, soziale und finanzielle Auswirkungen auf die Betroffenen und ihre Angehörigen. Letztere sind für die Betreuung und Pflege der Erkrankten und für das Gesundheitssystem, das zunehmend mit einem Fachkräftemangel konfrontiert ist, unentbehrlich.

Betreuende Angehörige und die Familie rücken daher immer mehr in den Mittelpunkt und werden zu einer wichtigen Stütze im Gesundheitssystem und in der Gesellschaft. Damit Familien dieser Verantwortung besser gerecht werden, müssen die Auswirkungen chronischer Krankheiten auf Familien besser verstanden werden. Hier arbeitet die Careum Hochschule Gesundheit mit Expertinnen und Experten aus Deutschland und Österreich zusammen. Ziel ist es, Familien, die mit chronischen Erkrankungen konfrontiert sind, besser zu unterstützen.

Was wir bisher wissen

Die vielfältigen Belastungen betreuender Angehöriger sind gut dokumentiert. Es ist auch bekannt, dass Informations-, Bildungs- und Unterstützungsprogramme für die betreuenden Angehörigen hilfreich sind, um deren Lebensqualität und Kompetenz zu verbessern. Dadurch werden die Angehörigen als wichtige Mitglieder des Gesundheits-Teams der erkrankten Personen gestärkt.

Die Bewältigung von Krankheitssituationen hängt massgeblich davon ab, ob und in welchem Umfang betreuende Angehörige zur Verfügung stehen. Die Careum Hochschule Gesundheit widmet sich bereits seit etlichen Jahren der Erforschung dieser Thematik. Ein früherer Schwerpunkt, «Work und Care», hat aufgezeigt, dass die Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Betreuungsaufgaben eine beträchtliche Herausforderung darstellt.
Im Rahmen von mehrjährigen Forschungsprojekten konnten wir zudem wertvolle Erkenntnisse im Bereich der «Young Carers» gewinnen. Wir haben gezeigt, dass auch Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene zum Kreis der betreuenden Angehörigen zählen. Dabei wurde deutlich, wie wichtig die Familie als funktionierende Instanz für die Bewältigung der Situation und für das Wohlbefinden jedes einzelnen Familienmitglieds ist.

Doch, sind alle betreuenden Angehörigen gleichermassen belastet? Es stellt sich die Frage, welche Unterstützung jeweils benötigt wird. Mit diesen Fragen soll der Forschungsblick geweitet werden.

Forschende in einem WOkshop

Forschungsmitarbeitende an der Careum Hochschule diskutieren

Welche neuen Erkenntnisse wir gewinnen wollen

Betreuende Angehörige sind oft Teil der unterschiedlichsten Familienkonstellationen. Auch spielen sie eine wichtige gesellschaftliche Rolle. Sie sind jedoch unterschiedlich stark belastet. Dabei sind Faktoren wie sozialer Status, Bildung und Migrationshintergrund wesentlich. Es ist wenig darüber bekannt, wer genau durch die Betreuung chronisch Kranker mehr oder weniger stark belastet ist.

Betreuung ist auch eine Frage der Beziehung. Es geht um Fürsorge, um den gegenseitigen Umgang mit Abhängigkeiten. So können auch kranke Menschen Angehörige pflegen oder betreuen. Unterschiedliche Bedürfnisse, Werte und Sichtweisen der Generationen beeinflussen diese Beziehungen. Dennoch sind sie über die Lebensspanne hinweg kaum erforscht, insbesondere in Bezug auf die unterschiedlichen sozialen, wirtschaftlichen und gesundheitlichen Systeme.

In den Gesundheitswissenschaften wird die Familie sowohl als Schutz- als auch als Risikofaktor für die Gesundheit betrachtet. Letzteres ist der Fall, wenn beispielsweise Konflikte, emotionale Vernachlässigung oder hohe Stressbelastung vorherrschen. Die bisherige Forschung hat sich häufig auf die Perspektive eines einzelnen Familienmitglieds oder einer spezifischen Situation konzentriert. Dies wurde auch in unserem Workshop mit den Universitäten Wien, der Witten/Herdecke, Bielefeld sowie der Katholischen Hochschule für Sozialwesen Berlin deutlich. In Zukunft sollte daher die Perspektive und die Erfahrungen verschiedener Familienmitglieder stärker in der Forschung berücksichtigt werden.

Auch müssen die bisherigen theoretischen Grundlagen und methodischen Ansätze angepasst werden, um der Vielfalt aktueller Familienformen gerecht zu werden. Die Fokussierung auf Familien bringt forschungsethische Herausforderungen mit sich. Entscheidend ist der Schutz der Rechte und des Wohlergehens aller Familienmitglieder. Dazu gehören der respektvolle Umgang mit der Privatsphäre, der Schutz vulnerabler Gruppen und die Sensibilität für die Familiendynamiken und kulturelle Unterschiede. Eine zentrale Frage ist, ob Kinder und Jugendliche als gleichberechtigte Akteure angesehen werden können wie Erwachsene.

Um familienzentrierte Pflege besser unterstützen zu können, ist es wichtig, die unterschiedlichen Familienformen zu verstehen: Wie beeinflussen Versorgungssysteme die gegenseitige Unterstützung innerhalb der Familie?

Mit betreuenden Angehörigen zusammen forschen

Es ist uns ein wichtiges Anliegen, gemeinsam mit betreuenden Angehörigen und Familienmitgliedern zu verstehen, welche Bedürfnisse für sie wichtig sind. Wir laden Sie ein, uns Ihre Gedanken und Erfahrungen zum Thema Betreuung von chronisch kranken und/oder multimorbiden Menschen mitzuteilen und sich an der unten stehenden Diskussion zu beteiligen. Hinterlassen Sie einen Kommentar. Oder wenden Sie sich direkt an das Forschungsteam.

Diskutieren Sie mit:

• Betreuen Sie Angehörige? Welche sind Ihre Erfahrungen? Welche Unterstützung hilft Ihnen? Und, was wünschen Sie sich?
• Wie wirkt sich die Pflege von betreuenden Angehörigen auf die Familie aus?
• Sind Sie chronisch krank und betreuen selbst jemanden, der ebenfalls krank oder beeinträchtigt ist? Wie gehen Sie damit um?

Kommentare

  • Gabriele

    09.04.2025

    Sehr geehrtes Team, was braucht es im Umgang mit chronisch Kranken? Respekt. Leider ist es so, dass die Schweizerin/ Schweizer es so machen will, wie es ihr/ihm passt. Pflege- und Arztpersonal sollten Beratungskompetenzen vorweisen und 200 h Supervisionsstunden (Nachweis Reflektionskompetenz). Für jedes Problem gibt es gefühlt eine Beratungsstelle in der Schweiz. Probleme und Konflikte werden nicht gelöst. Schweizerinnen/Schweizer wollen gut dastehen und setzen sich nicht für Patienten ein. Ärzte sollten wieder mit Ihren Patienten reden, vor allem Hausärzte und mindestens wieder 15 Minuten Zeit investieren. Nicht fragen, was wollen Sie? Sondern, wenn man weiss, dass Menschen an Krebs erkrankt sind, wie geht es Ihnen? Was haben Sie alles unternommen, dass es Ihnen gut ging. Wo standen Sie an? Krebsliga gibt vor welche Krebstherapie und wenn man da nicht reinpasst, dann behandeln Ärzte einen nicht und das in der Schweiz. Migranten werden von Schweizerinnen und Schweizer nicht ernstgenommen, Patientenverfügungen missachtet man und vor allem ausländischen Frauen werden Menschenrechte verletzt. Patientenstellen machen auch nichts, da sie keine Konflikte lösen. Zweitdiagnose sollte in den Arztbericht. IV sollte nicht nur für psych. Kranke da sein und chronisch Kranke abfedern, da sie auf den Sozialdiensten fehl am Platz sind. Was fehlt, dass das was auf dem Papier in der Schweiz steht auch wirklich umgesetzt wird und nicht nur arrogant heraus posaunt wird. Es fehlt eine Rechtsberatungsstelle für chronisch Kranke und eine finanzielle Unterstützung. Vor allem fehlt es an Personen, die zuhören, reflektieren und empathisch auf chronisch Kranke eingehen können. Weiter braucht es Aufklärung bei Arbeitgebern. Auch wenn man einen Bauch hat oder gar etwas hinkt, könnten viele noch 50 bis 70% arbeiten. Diskriminierung ist in der Schweiz ein Problem, was vor allem chronisch Erkrankte zu spüren bekommen. Es fehlen Gelder für Massagen, Alternativmedizin oder Ernährungsberatungen, da chronisch Kranke in keiner Zusatzversicherung hineinkommen. Es fehlt eine kantonale Beratungsstelle (unentgeltlich) für chronisch Kranke! Ich bin selbst betroffen, bin Pflegefachfrau Sozialarbeiterin BCs, Coach NDS und weiss mir sicherlich sehr gut zu helfen. Aber wer als Migrantin/Migrant krank wird, hat in der Schweiz nicht zu lachen. Menschenrechte gelten/würde gelten auch für heimisches Personal.