Bioethische Prinzipien und generative KI in der Pflege
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Die Integration generativer künstlicher Intelligenz (GenAI) im Gesundheitswesen stellt Pflegefachpersonen vor ethische Herausforderungen. Im Fokus: die Prinzipien «Autonomie» und «Nicht-Schaden» und ihr Einfluss auf das Pflegestudium und den Berufsalltag.
KI ist auch in der Pflege ein Thema. Wendet man sie gezielt an, kann die Pflegequalität verbessert werden, indem sie zum Beispiel bei Pflegediagnosen hilft, massgeschneiderte Behandlungspläne erstellt, gewisse Abläufe automatisiert. Jedoch ist es wichtig, dass die Pflegekräfte weiterhin mit ihren Patient:innen interagieren und dass die Daten sicher sind.
Bei bioethischen Prinzipien und generativer KI stellen sich folgende Fragen und Überlegungen: Wie lassen sich die bioethischen Prinzipien (Beauchamp et al.) «Autonomie» und «Nichtschaden» auf den Einsatz von GenAI übertragen? Welche Implikationen ergeben sich daraus für das Pflegestudium und den zukünftigen Berufsalltag?
Autonomie und GenAI
Autonomie in der Pflege bedeutet, die Selbstbestimmung von Patient:innen und ihren Familien sowie von Pflegenden zu respektieren. Im Kontext der GenAI gewinnt dieses Prinzip neue Dimensionen, insbesondere hinsichtlich der Wahrung der Entscheidungsautonomie angesichts GenAI-generierter Informationen. Eine zentrale Herausforderung für Pflegestudierende ist die Tendenz, GenAI-generierten Inhalten übermässig zu vertrauen.
Für Pflegefachpersonen bedeutet Autonomie im Zusammenhang mit GenAI, diese Technologie als Hilfsmittel zu nutzen, jedoch im Bewusstsein ihrer Chancen und Risiken. Man muss sich gut informieren, wenn man GenAI verantwortungsvoll nutzen will. Dazu gehört, sich mit der Datenbasis von GenAI vertraut zu machen. Auch müssen sich Pflegefachpersonen über die Interessen des Entwicklers informieren. Dabei geht es auch um den Schutz von Patientendaten und Persönlichkeitsrechten. Dieses Wissen ist für die Nutzung von GenAI im Pflegestudium ebenfalls relevant, um die Qualität und Belastbarkeit von GenAI-generierten Inhalten einzuschätzen.
Generative künstliche Intelligenz
Generative KI (GenAI) ist eine Technologie, die mithilfe von künstlicher Intelligenz Inhalte wie Texte, Bilder oder andere Datenformate erstellen kann. In der Pflege erleichtert sie administrative Aufgaben, etwa durch automatische Berichterstellung, und kann eine individuellere Patientenkommunikation ermöglichen. So hilft sie, Zeit zu sparen und den Fokus auf die Betreuung zu legen.
Nicht-Schaden und GenAI
Das Prinzip des Nicht-Schadens verpflichtet Pflegende, Risiken für Patient:innen und ihre Familien zu minimieren. Im Zusammenhang mit GenAI wird dieses Prinzip um neue Dimensionen erweitert. GenAI-Systeme können bei der Verarbeitung und Analyse grosser Datenmengen unterstützen und dazu beitragen, dass die Patientenversorgung verbessert wird. Sie erfordern aber ein hohes Mass an kritischer Reflexion: sei es hinsichtlich der fachlichen Korrektheit, sei es in Bezug auf die individuelle Pflegesituation.
Während GenA bei der Erstellung schriftlicher Arbeiten unterstützen kann, erfordert sie von den Pflegestudierenden ein vertieftes Verständnis der Materie, um die Verlässlichkeit der Inhalte zu überprüfen und die ethischen Grundsätze des wissenschaftlichen Schreibens einzuhalten.
Grenzen und Herausforderungen der GenAI
Die Zuverlässigkeit der von GenAI generierten Informationen kann je nach Krankheit variieren. Bei häufig auftretenden Erkrankungen ist davon auszugehen, dass umfangreiche Trainingsdaten vorliegen. Obwohl dies zu verlässlicheren Ergebnissen führen kann, ist auch in diesem Fall nicht auszuschliessen, dass GenAI-generierte Inhalte fachlich irreführend oder unzutreffend sind.
Bei seltenen Krankheiten wie der Amyotrophen Lateralsklerose (ALS) oder bei wenig erforschten Erkrankungen wie dem Post-COVID-Syndrom kann die Verlässlichkeit aufgrund der schmalen Datenbasis bereits sehr eingeschränkt sein. Diese Aspekte unterstreichen die Notwendigkeit, GenAI als unterstützendes Werkzeug zu betrachten, das die pflegerische Expertise ergänzt, aber nicht ersetzt.
Fazit
Die Anwendung bioethischer Prinzipien auf GenAI in der Pflege bietet einen wertvollen Orientierungsrahmen für Pflegestudierende. Zentral ist, dass Pflegefachpersonen ein kritisches Bewusstsein im Umgang mit GenAI-generierten Inhalten entwickeln.
In einer zunehmend digitalisierten Gesundheitsversorgung werden diese Kompetenzen unerlässlich für eine ethisch fundierte und patientenorientierte Pflege. Im Rahmen des Studiums können angehende Pflegefachpersonen diese Fähigkeiten bereits entwickeln, wenn sie Konzepte erarbeiten und Inhalte für das Studium aufbereiten.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Integration von GenAI in die Pflege sowohl eine Chance als auch eine Herausforderung darstellt. Der reflektierte und ethisch fundierte Umgang mit dieser Technologie wird zu einer Kernkompetenz für Pflegefachpersonen. Ziel ist es, GenAI als unterstützendes Werkzeug zu nutzen, das die Qualität der Pflege verbessert, ohne dabei die klinische Expertise von Pflegenden und die individuellen Bedürfnisse der Patient:innen und ihrer Familien aus dem Blick zu verlieren. Die Auseinandersetzung mit ethischen Fragestellungen – zum Beispiel im Kontext neuer Technologien wie GenAI – ist dabei ein wesentlicher Bestandteil der pflegerischen Aus- und Weiterbildung und begleitet Pflegefachpersonen durch ihre gesamte berufliche Entwicklung.
Die Careum Hochschule Gesundheit unterstützt ihre Studierenden in dieser ethischen Reflexion, so zum Beispiel indem die Universitätsbibliothek Medizin Careum mit ihrem qualitätsgesicherten Informationsangebot einbezogen wird.
Ethik im Gesundheitswesen
Die Careum Hochschule Gesundheit bietet ein Einzelmodul im Bereich Ethik im Gesundheitswesen an. Hier wird die Pflegeethik auf der Basis von Evidenz und interprofessioneller Kooperation reflektiert. Die Studierenden entwickeln Lösungsstrategien für ethische Fragestellungen, wie die Priorisierung von Pflegeleistungen, gesellschaftliche Themen wie Suizidbeihilfe und oder den respektvollen Umgang mit der Autonomie von Menschen mit Demenz. Das Wissen wird vertieft, um ethische Überzeugungen in der interprofessionellen Zusammenarbeit fundiert zu hinterfragen und auf einer evidenzbasierten Grundlage zu vertreten.
Literatur:
Beauchamp, T. L., Childress, J. F., Lanzerath, D., Halsband, A., & Pelger, J. (2024). Prinzipien der Bioethik (1. Auflage). Verlag Karl Alber.
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